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Praktiken in Verbindung gebracht wird“.450 Kraus fand, dass die Antwort Kreis-
kys „am Wesen der Sache vorbei“ ging, als „es sich nicht darum gehandelt hat,
ob die Informations-Weitergabe über einen Akt auf Grund einer Tonbandauf-
nahme des Gesprächs mit mir erfolgte, oder nicht. Die Tatsache der Informa-
tions-Weitergabe auf Grund des von Herrn Mayer-König hergestellten Dialog-Pa-
piers war der springende Punkt. Und darauf ist der Herr Bundeskanzler nicht
eingegangen.“451
1979 kam die Kontroverse rund um Herbert Kuhner noch einmal auf, als
Kraus einen Brief von dessen Anwalt erhielt, der mit einer Klage drohte, da Kraus
seinem „Mandanten insoferne beruflichen Schaden zugefügt“ habe, als Kraus
in seiner Begründung für die Ablehnung des Reisestipendiums Kuhner als „‚über-
aus schwache[n] Autor‘“ bezeichnet habe:
Durch diese Stellungnahme, welche in die Öffentlichkeit gelangt ist, und durch
angebliche weitere telefonische Äußerungen Ihrerseits in diesem Sinne ist sowohl
die Unterstützung der Reise meines Mandanten nach Australien verhindert wor-
den, obwohl die zuständigen Veranstalter ausdrücklich die Entsendung meines
Mandanten gewünscht hatten, als auch ein schwerer finanzieller Schaden meinem
Mandanten erwachsen, da eine entsprechende schriftstellerische Entfaltung durch
Ihre Äußerung verhindert, bzw. eingeschränkt wurde und er die Reise nach Aust-
ralien letztlich selbst bezahlen mußte.452
Kraus verteidigte sich damit, dass er „die Verdienste Ihres Mandanten, Herrn
KUHNER, als Lyriker und vor allem als Übersetzer österr. Lyrik ins Englische
durchaus schätze. Dies drückt sich schon darin aus, daß ich Herrn Kuhner bat,
an einem Abend in der [ÖGL] aus seinem Werk zu lesen, was dann – am 14.
Okto-
ber 1976 – auch mit Erfolg geschah.“453
Hinsichtlich der Einschätzung von Kuhners Fertigkeit im Bereich der Über-
setzung sei Hilde Spiels Meinung als versierte Übersetzerin, u. a. von Tom Stop-
pard oder W. H. Auden, angeführt, die hinsichtlich des Plans einer Anthologie
österreichischer Lyrik in englischer Sprache herangezogen wurde, an der Kuh-
ner mitgearbeitet hatte: „Sie wissen, […] dass ich Kuhner gegenüber durchaus
freundlich eingestellt bin. Aber leider, leider muss ich Ihnen sagen, dass ich
fürchte, die Gedichte müssen in der Tat noch von jemandem durchgesehen wer-
den.“454
450 Bruno Kreisky an Wolfgang Kraus, 23. Februar 1977, ÖGL-Archiv.
451 Wolfgang Kraus an Anton Prohaska, 23. Februar 1977, ÖGL-Archiv.
452 Peter Stern an Wolfgang Kraus, 11. Juni 1979, ÖGL-Archiv.
453 Wolfgang Kraus an Peter Stern, o. D., ÖGL-Archiv.
454 Hilde Spiel an Adolf Opel, 14. November 1974, ÖGL-Archiv.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Polemiken und Kämpfe im Feld 293
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437