Page - 301 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Image of the Page - 301 -
Text of the Page - 301 -
Wolfgang Kraus war an der Gestaltung dieser Rahmenbedingungen für die
Zirkulation symbolischer Güter im In- und Ausland beteiligt, eine besondere
Rolle sollte für ihn dabei das Außenministerium spielen. In der Folge sollen die
Rahmenbedingungen, unter denen Kraus’ kulturpolitische Aktivitäten erfolgten,
in einem historischen Überblick zur Darstellung gelangen.
Hinsichtlich der österreichischen Kulturpolitik ist zu bemerken, dass diese von
1945 bis 1970 im Zeichen eines von der ÖVP dominierten, „elitären, nicht trans-
parenten Begriffs einer so genannten Hochkultur“ stand, „die weite Teile des
zeitgenössischen Kulturschaffens aus der öffentlichen Sphäre ausschloss“, wäh-
rend mit der sozialdemokratischen Alleinregierung eine neue Form der Förde-
rung einsetzte. Einer „politisch wachen und politisch mobilen Jugend“, die „sich
mit ganzer Respektlosigkeit gegen das Bestehende, gegen das Etablierte“18 wand-
te, wurde ein großes Potential an gesellschaftsverändernder Kraft zugesprochen.
Ab 1975 trat mit dem vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst verab-
schiedeten „Kulturpolitischen Maßnahmenkatalog“ eine Wende ein, als ein
„Dialog mit Regierenden, Kunstschaffenden und Kunstvermittlern aufgenom-
men wurde“19 und die Einrichtung diverser Beratungsgremien, wie Beiräte, Jurys
und Kommissionen, teilweise mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet, in
der Kulturverwaltung erfolgte.
Gegenüber der weiter oben kurzgefassten theoretischen Darstellung des
Begriffs soll im folgenden Kapitel vielmehr die tatsächliche Praxis der Kultur-
politik auf einer Mikroebene aus der Perspektive eines Akteurs dargestellt wer-
den, der sich intermittierend kulturpolitischer Aspekte annahm. Der Hinweis,
welchem Begriff von „Kultur“ der jeweilige Akteur folgt,20 ist im vorliegenden
Kapitel zentral und unerlässlich für die Perspektive, aus der heraus Kraus inner-
halb der Schnittstellen zwischen dem literarischen und dem politischen Feld
agierte. Durch seine kulturpolitische Praxis, darunter in der „Kulturkontaktstel-
le“, aber auch für das „Image-Komitee“ des Außenministeriums, dürften sich,
gegeben durch seine Akteurs-Perspektive, neue Erkenntnisse hinsichtlich der
österreichischen Kulturpolitik gewinnen lassen, die zu einer weiteren Fundie-
rung und Differenzierung des Begriffs beitragen können.
Analog zu den Fragestellungen von Frank Trommlers Kulturmacht ohne Kom-
pass,21 allerdings beschränkt auf eine die Zweite Republik betreffende Zeitachse
18 Regierungserklärung der SPÖ, Wien 1970, S. 23 u. 28. Zit. n. Karl-Gerhard Straßl: Kulturpo-
litik des Bundes. Die kulturpolitische Situation in Österreich im Spannungsfeld zwischen
Gestalten und Verwalten. Wien: Braumüller 2001, S. 13.
19 Ebd., S. 14.
20 Vgl. Knapp: Österreichische Kulturpolitik, S. 65.
21 Trommler: Kulturmacht ohne Kompass, S. 14.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Resümee 301
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437