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dennoch ein ausführliches „Rahmenkonzept für die kulturellen Aktivitäten im
Ausland“138, in dem er Länder geopolitischen Zonen zuordnete und auf das jewei-
lige Land zugeschnittene, spezifische Konzepte entwickelte. In „Zone I“ fielen
Nachbarländer Österreichs wie die BRD, die fremdsprachigen Länder sind geteilt
in einen demokratischen (Italien), einen blockfreien (Jugoslawien) und einen
kommunistischen Bereich (Tschechoslowakei, Ungarn). Unter Zone II fasste
Kraus „Länder von weltpolitischer Bedeutung“, wozu er die USA, die UdSSR,
China, England und Schweden zählte, während sich in „Zone III“ jeweils Län-
der „mit starker historischer Bindung an Österreich“ befanden. Kraus nannte
hier Polen, Rumänien, Spanien sowie Israel. Laut Kraus zeige vor allem letzteres
starkes kulturelles Interesse an Österreich, „da ein wesentlicher Anteil unserer
Kultur von Juden geschaffen wurde“ und einer „der wichtigsten Begründer des
Staates Israel […] der Österreicher Theodor Herzl“ sei.
Zu jenen Ländern, die aufgrund der „grossen Entfernung […] alle grösseren
Investitionen als sehr problematisch“ erscheinen ließen sowie Initiativen aus
„österreichischer Sicht versickern“ lassen könnten, zählt Kraus die Türkei, Ägyp-
ten, den Iran, den Irak, Griechenland, Bulgarien, die Vereinigten Arabischen
Emirate, Japan, der Senegal und die Elfenbeinküste, Indien und Indonesien sowie
Südamerika.
Kraus wollte publizistisch wirksame Akzente in der „Auslandskulturpropag-
anda“ gesetzt sehen, weshalb er eine repräsentative Ausstellung mit dem Titel
„Österreichs Beitrag zur Entwicklung der Menschheit“ vorschlug, die mit „Ori-
ginalmanuskripten berühmter Komponisten und Autoren“ zu bestücken wäre
und „auf ein weites Reiseprogramm“ zu schicken wäre. Zentral waren für Kraus
auch Symposien „über das Werk österreichischer Persönlichkeiten“ im Ausland,
wobei damit vor allem die Kooperation mit „Universitäten oder anderen lokalen
Institutionen anzustreben“ sei, auch die Einladung „kultureller Persönlichkeiten
aus dem Ausland nach Österreich“ war Kraus ein besonders wichtiges Anliegen,
da die „Ausstrahlung der österreichischen Kultur durch den Aufenthalt auslän-
discher Persönlichkeiten in Österreich enorm gesteigert“ werden könne. Eine
direkte Konkurrenz zur österreichischen Auslandskulturpolitik sieht er in den
Goethe-Instituten der Bundesrepublik Deutschland, da diese in ihren Program-
men oft österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Künst-
lerinnen und Künstler miteinbeziehen würden. In puncto Ehrungen und Aus-
zeichnungen konstatierte Kraus, dass die Möglichkeit, „ausländische
Persönlichkeiten des Kulturlebens mit österreichischen Auszeichnungen zu ehren“,
besser praktiziert werden könne. Seine „[t]aktischen Grundsätze“ hat Kraus fol-
gendermaßen zusammengefasst:
138 Ders.: Entwurf für ein Rahmenkonzept für die kulturellen Aktivitäten im Ausland, 1.
Dezem-
ber 1976, ÖGL-Archiv. Auch alle folgenden Zitate.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Kulturkontaktstelle 327
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437