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de im September 1985 vom Generalsekretär des Europarates und Nationalrats-
abgeordneten Franz Karasek, dem Kopf des „Europalia“-Exekutivkomitees
engagiert, vermutlich u. a. deswegen, weil er auch dem bereits erwähnten
„Image“-Komitee angehörte: „Jetzt mit Karasek über ‚Europalia‘. Ein Vergnügen,
gut eingespielt, ich soll Literatur übernehmen.“190
Ein „Vergnügen“ sollte Kraus’ Tätigkeit nicht werden, denn die Organisation
stand von Anfang an „unter keinem guten Stern“.191 Im März 1986 verstarb Kara-
sek, sein Nachfolger wurde der österreichische Botschafter in Brüssel Franz Ces-
ka. Der kurz zuvor vom Wissenschaftsministerium pensionierte Ministerialrat
Wilhelm Schlag übernahm die Arbeit und Koordination von Wien aus, wobei
er auch die noch von Schlag eingesetzten „vier Exekutivsekretäre Wolfgang Kraus
(Literatur), Hans Landesmann (Musik), Reinhard Urbach (Theater) und Walter
Zettl (Ausstellungen)“192 erbte.
Die ersten Sitzungen des Exekutivkomitees dürften für Kraus und seine das
Programm betreffende Vorschläge nicht allzu gut verlaufen sein, spielte er im
Tagebuch doch mit der Idee, aus dem Komitee auszutreten, da die ursprüngli-
che Konzeption „sehr reduziert“ gewesen sei: „‚Barock und die Folgen‘, ‚Ariad-
ne‘, ‚Cs[á]rd[á]sfürstin‘ – das alles Klischee und Letztgenanntes fürchterlich.
Völlig an der Zeit und Qualität vorbei.“193 Noch im Oktober 1986 war er „[e]
ntsetzt über [die] Europalia“ und möchte „Entscheidendes tun“.194
Das literarische Programm dürfte zunächst eher eine Nullsumme ergeben
haben, weshalb Kraus einen „Beitrag zum Maßnahmenkatalog“ für die „Euro-
palia“ entwarf. Hier konstatierte Kraus, dass „auf Grund verschiedener unglück-
licher Umstände“, der österreichische Beitrag „mächtig abzufallen“195 drohe, wobei
er betonte, dass nach „dem Eingehen der ‚Kontaktstelle‘“ ein „neues, agiles Büro
außerhalb der Hausordnung eines Ministeriums“ geschaffen werden müsste,
„dessen Arbeit nach dem erschreckend häufigen ‚Nein, das geht nicht‘ so vieler
Kulturbeamter überhaupt erst beginnt“, und dieses „Mini-Büro“ die „unmittel-
bare Unterstützung eines Ministers oder des Bundeskanzlers“ haben sollte, aller-
dings verweist er darauf, dass er selbst „das nicht mehr“196 machen würde.
Auch die Kooperation mit den belgischen Stellen gestaltete sich für Kraus pro-
blematisch. Die Direktorin für Literatur und Theater der „Europalia“ in Brüssel,
190 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 9. September 1985, NL WK.
191 Horst Christoph, Sigrid Löffler: Geschossene Böcke. In: Profil, 17.
August 1987, S. 52–54, hier
S. 52.
192 Ebd., S. 53.
193 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 4. Oktober1985, NL WK.
194 Ders.: Tagebuch, 18. September 1986, ebd.
195 Ders.: Beitrag zum Maßnahmenkatalog, ms. Ts., ÖGL-Archiv.
196 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
„Europalia 1988“ 341
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437