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kulturellen Aktivitäten des Außenamts als auch des Ministeriums für Unterricht
und Kunst“.207
Die im November 1986 stattfindende „Europalia“-Pressekonferenz von SPÖ-Au-
ßenminister Peter Jankowitsch, in der das bis dahin zusammengestellte Pro-
gramm der Öffentlichkeit präsentiert wurde, empfand Kraus als „eine Katastro-
phe“208, da die österreichische Wissenschaft nicht berücksichtigt worden war,
weshalb er sofort aktiv wurde und auch ein Konzept für wissenschaftliche Kon-
ferenzen entwarf. Die komplizierte Struktur der Organisation dürfte dazu bei-
getragen haben, dass manche Konzepte eher kompliziert oder gar nicht zu rea-
lisieren waren, wie Kraus in einem Brief an Peter Marginter bemerkte. Die
„Zusagen letzten Standes“ hatte nur Moulaert in Brüssel, wobei diese in „man-
chen ihrer Einladungen von den in Wien vereinbarten Punkten“ abwichen, was
„schwer von Wien aus in der Hand zu haben“ sei, weswegen es, so prognostiziert
Kraus „fortwährend Pannen geben“209 würde.
Hinsichtlich der Einladung von Autorinnen und Autoren hatte Kraus eine Lis-
te mit Adressen an Kulturrätin Helene Lamesch in Brüssel gesandt, die dort das
österreichische Büro der „Europalia“ leitete, die diese wiederum an Moulaert
weiterleitete, mussten doch die Einladungen an die Autorinnen und Autoren
direkt aus Brüssel ergehen. Geplant waren hier „Journées littéraires“, vor allem
im „Hinblick darauf, daß Autorenlesungen in Belgien kaum üblich“210 waren.
Kraus schlug vor, u. a. Ilse Aichinger, H.
C. Artmann, Rose Ausländer, Christine
Busta, Thomas Bernhard, Michael Guttenbrunner, Peter Handke, Ernst Jandl,
Kurt Klinger, Friederike Mayröcker und Jutta Schutting einzuladen, aber auch
bereits verstorbene Autorinnen und Autoren wie Christine Lavant, Paul Celan,
Max Hölzer, Hertha Kräftner und Herbert Zand finden sich auf der Liste, aus
deren Werken gelesen hätte werden können.211 Es lässt sich konstatieren, dass
einige Autorinnen und Autoren, die im literarischen Feld der 1980er Jahre star-
ke Präsenz zeigten, auf dieser Liste fehlen, darunter Elfriede Jelinek, Michael
Scharang oder Peter Turrini. Diese Autorinnen und Autoren wurden ob ihrer
Kritik an Österreich im Ausland, vor allem in der Bundesrepublik, breit rezipiert
und Kraus war zunehmend beunruhigt ob der „Tatsache, daß ein ganz auffälliger
radikal politischer Trend“ in Brüssel festzustellen sei: „Alles, was radikal ist, wur-
de sehr oft mit größter Hartnäckigkeit gegen meine Einwände verteidigt, außer-
207 Ebd.
208 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 12. November 1986, NL WK.
209 Ders. an Peter Marginter, o. D., ebd.
210 Ders.: Stand des literarischen Programms 8. August 1986, ÖGL-Archiv.
211 Ders. an Helene Lamesch, 14. April 1987, ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
344 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437