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zwang“: Eine dritte Position war in der Ära der zwei im Lichte der Atombombe
miteinander in Konflikt stehenden Supermächte USA und Sowjetunion unmög-
lich, und Ost und West maßen sich in ihrem jeweiligen Potential der Konversi-
on: „Sprache, Bilder und Denkfiguren des Kalten Krieges sickern ein in die öster-
reichischen wie bundesdeutschen Literaturdebatten.“23
Das konservative Paradigma der 1950er Jahre war gekennzeichnet durch
Habsburg-Nostalgie und einer damit einhergehende Wien- und Österreich-Glo-
rifizierung sowie einen antitotalitären Konsens in Form des Antikommunismus,
der eine staatstragende Dimension besaß. Zum Begriff Totalitarismus ist anzu-
merken, dass diesem seit den 1920er Jahren „in unterschiedlichen Kontexten
und unter veränderlichen politischen Konstellationen immer wieder neue Bedeu-
tungen zugeschrieben“24 wurden, und er während des Kalten Krieges als rhe-
torischer Begriff besonders dazu geeignet war, alle möglichen politischen Ori-
entierungen zu überbrücken. Abbott Gleason hat den Begriff Totalitarismus und
dessen wechselhafte Geschichte sogar als das mobilisierende und Einheit stif-
tende Konzept des Kalten Krieges dargestellt.25 Unter diesen ideologischen
Prämissen war in der österreichischen Nachkriegskultur die Konfrontation der
beiden politischen Systeme, der Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“, zwischen
„Demokratie“ und „Diktatur“, „Freiheit“ und „Knechtschaft“ zu einem allge-
genwärtigen Deutungsmuster geworden. Dies gilt vor allem für die Zeit vom
Ende der Vierziger- bis zur Mitte der Sechzigerjahre.
Der Antikommunismus machte die großen politischen Lager in Österreich,
die ÖVP und die SPÖ, die einander im Februar 1934 noch in einem Bürgerkrieg
gegenüber gestanden waren, zu Verbündeten. Oliver Rathkolb bezeichnete den
Antikommunismus als „wesentliche Komponente für die relative Stabilität der
österreichischen Nachkriegsgesellschaft in der höchst labilen Aufbauphase“,26
ein gesellschaftliches Bindemittel in der schwierigen Phase des Nationbuilding.
Festzustellen bleibt, dass die KPÖ politisch weitgehend isoliert und ohne Ein-
fluss blieb und in der österreichischen Nachkriegsgesellschaft nur eine margi-
nale politische Rolle spielte, bei den Nationalratswahlen nach 1945 lukrierte sie
nie über fünf Prozent der Stimmen und war ab 1959 schließlich nicht mehr im
Parlament vertreten.27
23 Rohrwasser: „manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern. / werch ein
illtum!“, S. 83.
24 Anson Rabinbach: Begriffe aus dem Kalten Krieg. Totalitarismus, Antifaschismus, Genozid.
Weimar: Wallenstein 2009 (= Vorträge und Kolloquien. Jena Center Geschichte des 20. Jahr-
hunderts 5), S. 8.
25 Vgl. Abbott Gleason: Totalitarianism. The Inner History of the Cold War. New York, Oxford:
Oxford University Press 1995, S. 3.
26 Rathkolb, Die paradoxe Republik, S. 26.
27 Vgl. Wolfgang Mueller: Die gescheiterte Volksdemokratie: Zur Österreich-Politik von KPÖ
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
360 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437