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ČSSR betrifft, finden sich u. a. Jan Grossmann, Jaroslav Langer, Ladislav Mňač-
ko sowie die Bibliothek des tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes als
Empfänger. Diese Büchersendung wurde an den Kurierdienst des Außenminis-
teriums übergeben und dem Gesandten Karl Peterlik an der Österreichischen
Botschaft in Prag übergeben.88
Hinsichtlich der Kosten dieser Buchversand-Aktionen dürften sich das Bun-
desministerium für Unterricht und die ÖGL die Ausgaben geteilt haben, wie aus
einer Buchsendungsliste an polnische Autorinnen und Autoren hervorgeht: „Bit-
te, soweit es noch ausgeht auf das Konto Büchersendungen nach Polen und ande-
ren Ostländern: das vom BfU bereits bezahlt ist. Den Rest dann auf unsere Rech-
nung.“89 Verschickt wurden u. a. ausgewählte Stücke Ödön von Horváths, Franz
Theodor Csokors Zeichen an der Wand, Fritz Habecks Die Stadt der grauen
Gesichter, Vera Ferra-Mikuras Die Lektion, Reinhard Federmanns Der schielen-
de Engel, Christine Lavants Die Bettlerschale, Christine Bustas Die Scheune der
Vögel, Karl Bruckners Sadako will leben, Ingeborg Bachmanns Das dreißigste
Jahr, Hans Leberts Das Schiff im Gebirge und Milo Dors Salto Mortale.
Dürften die Bestrebungen der ÖGL zunächst noch im Zeichen der Auslands-
kulturpropaganda gestanden haben, fand sie als unverdächtige kulturelle Orga-
nisation bald als Instrument von Agenturen des Kalten Krieges Verwendung.
Im Zuge des sogenannten Marshall Plan for the Mind90 spielten Bücher eine
wichtige Rolle in der „Verwestlichung“ (westernization) der Sowjetunion. Obwohl
höhere Auflagen von Büchern als in jedem anderen Land gedruckt wurden, war
der Lesehunger in der Sowjetunion besonders groß, denn das Publizieren war
ein Staatsmonopol, man verlegte viele Bücher, die die Bevölkerung nicht lesen
wollte oder druckte nur eine geringe Auflage beliebter Titel.91 Lew Kopelew
sprach davon, dass Kraus und seine Mitarbeiter „so oft und so freundschaftlich
mir und meinen Freunden mit den herzlichsten Büchergaben Freude und Nut-
zen gebracht“92 hatten.
Von einer Amerika-Reise, die Kraus im September 1967 unternahm, schreibt
er in einem Brief an den Schriftsteller Herbert Zand, seinen Stellvertreter und
Vertrauten in der ÖGL: „Heute habe ich mit Minden sehr elegant ‚geluncht‘ […].
Er war ganz Weltmann und Schoengeist. Uebrigens stammt er aus Bukarest.“93
Der „Weltmann und Schoengeist“ war niemand anderer als George C. Minden,
88 Vgl. Hella Bronold an Kurierleitung des diplomatischen Dienstes, 14.
Februar 1964, ÖGL-Ar-
chiv.
89 Liste von Buchsendungen an polnische Autoren und Germanisten, 1964, ÖGL-Archiv.
90 Vgl. John P. C. Matthews: The West’s Secret Marshall Plan for the Mind. In: International Jour-
nal of Intelligence and Counter-Intelligence 16 (2003), H. 3, S. 409–427.
91 Richmond: Cultural Exchange and the Cold War, S. 136.
92 Lew Kopelew an Wolfgang Kraus, 21. September 1967, ÖGL-Archiv.
93 Wolfgang Kraus an Herbert Zand, 15. September 1967, NL HZ, Sign.: 1/B30/24.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
376 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437