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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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37 Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre zumeist , wie auch im Fall der Charakterisierung Amerikas bei Hegel , ohne viel Sachkennt- nis und jede eigene Erfahrung formuliert.72 Gegen diese Stigmatisierung Amerikas als ei- nes degenerierten Kontinents , die die kulturelle Inferiorität seiner ( indigenen ) Einwohner miteinschloss , hatten die amerikanischen Eliten von Anbeginn anzukämpfen. Dieses kul- turpolitische Ringen um Anerkennung und Gleichberechtigung gegenüber dem europäi- schen Mutterland , das schließlich in die US-amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 mündete , führte zwischenzeitlich zu höchst kuriosen Versuchen , wie beispielsweise dazu , die Maya-Tempelstädte auf der Halbinsel Yukatan zu europäisieren , indem diese kurzerhand zu römisch-karthagischen Gründungen erklärt wurden.73 Eine erste  – ebenso prägnante wie nachhaltig wirksame  – Kritik nordamerikanischer Lebenskultur verfasste der aus Mähren stammende politische Emigrant Charles Sealsfield ( alias Karl Anton Postl ), der , anders als viele der nachfolgenden Autoren , von keiner Sen- timentalität für europäische Werte getrieben war und in seiner Amerika-Kritik durchaus Realist blieb ; nicht zuletzt hatte Sealsfield in einer 1827 publizierten Schrift mit den Idea- len der „deutschen Gelehrsamkeit“ gebrochen und das lebensorientiert-praktische repub- likanische Bildungssystem , in dessen öffentlicher Förderung der „humane Bürgersinn des Amerikaners“ zum Ausdruck komme , gelobt und obendrein festgestellt , „dass in keinem Lande für die Bildung des weiblichen Geschlechts so viel Sorge getragen wird“.74 In dem zwischen 1834 und 1837 erschienenen Romanfragment „Lebensbilder aus beiden Hemisphären“ übte Postl , trotz der positiv dargestellten Freiheit des Individuums in der Neuen Welt ,75 scharfe Kritik an der dortigen Allmacht des Geldes und den dadurch verur- 72 In seinen ab 1822 / 23 abgehaltenen „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“ sprach Hegel von der „geographischen Unreife Neuhollands“ und beschrieb die indigene Kultur Amerikas als inferior , wild und roh. Des Weiteren konstatierte er , dass „die Schwäche des amerikanischen Naturells [ … ] ein Haupt- grund dazu [ gewesen sei , d. Verf. ] , die Neger nach Amerika zu bringen , um durch deren Kräfte die Arbeit verrichten zu lassen ; denn die Neger sind weit empfänglicher für europäische Kultur als die Indianer [ … ].“ Dennoch stand auch für Hegel , der die Neue Welt strikt nach dem ( entwicklungsfähigen ) Nord- und dem ( unreif-ohnmächtigen ) Südamerika schied , fest , dass von hier aus künftig globale Veränderungen ihren Ausgang nehmen werden : „Amerika ist somit das Land der Zukunft , in welchem sich in vor uns liegenden Zeiten , etwa im Streite von Nord- und Südamerika , die weltgeschichtliche Wichtigkeit offenbaren soll ; es ist ein Land der Sehnsucht für alle die , welche die historische Rüstkammer des alten Europa langweilt. Napoleon soll gesagt haben : Cette vieille Europe m’ennuie. Amerika hat von dem Boden auszuscheiden , auf welchem sich bis heute die Weltgeschichte begab. Was bis jetzt sich hier ereignete , ist nur der Widerhall der Alten Welt und der Ausdruck fremder Lebendigkeit , und als ein Land der Zukunft geht es uns überhaupt hier nichts an [ … ]“. [ Kursiv im Orig. ] Georg Wilhelm Friedrich Hegel , Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Werke 12 , Frankfurt a. Main 1970 , 108 f. bzw. 114. 73 Fröschl , Antiamerikanismus in Europa und Lateinamerika , a. a. O., 84. 74 Zit. nach : Primus-Heinz Kucher , Polyphone Spiegelungen und Kulturkritik in Charles Sealsfields Ame- rika-Bericht. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika nach ihren politischen , religiösen und gesellschaft- lichen Verhältnissen betrachtet ( 1827 ). In : Austriaca , Sommaire No. 62 , Juni 2006 , 37. 75 Vgl. Wynfried Kriegleder , Amerika-Idyllik und Europa-Skepsis. Zum Verhältnis Amerika-Europa im Werk Charles Sealsfields. In : Alexander Ritter ( Hrsg. ), Sealsfield-Studien 1 (= Schriftenreihe der Charles-
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Untertitel
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Autor
Christian H. Stifter
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
762
Schlagwörter
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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