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Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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1. Images , Stereotype und Vorurteile 44 Europäer prägte107 und durchgängig provinziell angesammelte Imaginationen vom ‚rauen und wilden Leben‘108 produzierte , die obendrein unterschwellig „autoritär-antidemokra- tische Standards“ festschrieben.109 Einer der wenigen , hochprominenten österreichischen Amerikabesucher des 19. Jahr- hunderts war Erzherzog Franz Ferdinand , dessen Reiseeindrücke Aufschluss über das Amerikabild des Kaiserhauses respektive des Hofadels geben. Anlässlich einer Weltreise besichtigte er neben Kanada auch die Vereinigten Staaten und besuchte hier 1893 unter anderem die Weltausstellung in Chicago. Der Trophäensammler und spätere Thronfolger zeigte sich von der Weite des Landes sowie den Naturschönheiten des Yellowstone Parks beeindruckt , von der hektischen Urbanität , den schmutzigen Straßen und von der rauen Lebensweise Amerikas , die ihn jede „Gemütlichkeit und jeden Geschmack“ missen ließ , jedoch abgestoßen.110 Der technische Fortschritt machte nur wenig Eindruck auf den ös- terreichischen Erzherzog , der sich im abschließenden Resümee seiner in Summe negati- ven Eindrücke von der amerikanischen Gesellschaft zu einem völlig abwegigen Vergleich verstieg , indem er deren Zivilisationsgrad mit dem Papua Neuguineas verglich , das er auf seiner Weltreise ebenfalls besucht hatte.111 Angewidert vom Niedergang europäischer Kultur sah auch Friedrich Nietzsche , der den Leistungen der ‚Neuen Welt‘ nicht ganz ohne ( dionysische ) Sympathie gegenüberstand und der Erstausgabe seiner Schrift „Die fröhliche Wissenschaft“ ( 1882 ) noch ein Zitat 107 Neben vielen jugendlichen Lesern freilich auch  – ob indirekt oder direkt , ‚negativ‘ oder ‚positiv‘  – zahl- reiche , spätere Schriftsteller wie u. a. Bertolt Brecht ( so das „Chicago-Stereotyp“ in „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ oder „Der Aufstieg des Arturo Ui“, oder  – nach 1940  – Carl Zuckmayer ( „Pioneer“- Mythologie im „Vermonter Roman“, 1942 / 43 ). Siehe : Otto , Deutsche Amerika-Bilder , a. a. O., 109 ff. bzw. 269 ff. 108 Interessanterweise konnten , wie Valerie Popp mit Bezug auf Jeffrey L. Sammons hervorhebt , die US- Amerikaner mit diesen auf Basis von Sekundärliteratur frei assoziierten „deutschen Heterotypen“ wenig anfangen , sodass Karl May in den Vereinigten Staaten „so gut wie gar nicht rezipiert wurde.“ Valerie Popp , „Aber hier war alles anders …“. Amerikabilder der deutschsprachigen Exilliteratur nach 1939 in den USA , Würzburg 2008 , 32 , Anm. 56 ; siehe dazu weiters : Jeffrey L. Sammons , Ideology , Mimesis , Fantasy : Charles Sealsfield , Friedrich Gerstäcker , Karl May , and Other German Novelists of America , Chapel Hill 1998. Zit. nach : Popp. „Aber hier war alles anders …“. Amerikabilder , a. a. O., ebd. 109 Wie Viktor Otto konstatiert , zählten Karl May und Richard Wagner „zu den wenigen Exponenten deut- scher Kultur , mit denen sich auch ein Anti-Intellektueller wie Adolf Hitler aus offenkundig persönlichem Interesse befaßte.“ Otto , Deutsche Amerika-Bilder , a. a. O., 89. 110 Obwohl er dem technischen Fortschritt an sich nicht uninteressiert gegenüber stand , zeigte Franz Fer- dinand in Amerika kein Interesse am modernen Massenverkehr oder der industriellen Massenproduktion. Vgl. Günter Bischof , Two Sides of the Coin : The Americanization of Austria and Austrian Anti-Ame- ricanism. In : Alexander Stephan ( Ed. ), The Americanization of Europe. Culture , Diplomacy , and Anti- Americanism after 1945 , New York  – Oxford 2006 , 149 ; siehe insbesondere auch : Robert Hoffmann , Erz- herzog Franz Ferdinand und der Fortschritt. Altstadterhaltung und bürgerlicher Modernisierungswille in Salzburg , Wien  – Köln  – Weimar 1994. 111 Bischof , Two Sides of the Coin , a. a. O., 150.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Untertitel
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Autor
Christian H. Stifter
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
762
Schlagwörter
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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