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Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre
„Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nach dem Wortlaut ihrer Verfassung ein parlamen-
tarisch-demokratisches Gemeinwesen. Aber es kann kein Zweifel darüber bestehen , daß die
Konzentration des Kapitals und die fabrikmäßige Produktion der öffentlichen Meinung die
‚freieste Verfassung‘ der Welt aufgehoben und die Vereinigten Staaten zu einer oligarchischen
Diktatur der Kapitalsmagnaten umgewandelt haben , in der kleinbürgerliche oder gar proleta-
rische Kräfte , so stark sie sozial auch sein mögen , ebenso wenig Aussicht haben , sich politisch
durchzusetzen , wie etwa in der Diktatur der feindlichen Kräfte in Italien Mussolinis oder in
Sowjetrußland. [ … ] Für sie sind die Wahlen nur ein durch die amerikanische Tradition gehei-
ligter Umweg zur Diktatur der Kapitalsmagnaten , die vielleicht noch fester angewurzelt ist als
die faschistische oder bolschewistische Diktatur.“173
Zusätzlich zeichnete sich für die Sozialdemokratie aufgrund des enormen wirtschaftlich-
ökonomischen Aufschwungs Amerikas Mitte der Zwanzigerjahre zunehmend die Gefahr
einer „Weltherrschaft“ des amerikanischen Imperiums ab , das „Rücksichten“ sowie die
„Nichteinmischung in europäische Verhältnisse“ längst nicht mehr so streng nähme , wie
noch zur Zeit der Monroe-Doktrin.174
Aufseiten der katholischen Kirche sowie seitens konservativer Parteien , wie zum Bei-
spiel der Deutschen Zentrumspartei , geriet , neben der Abscheu vor dem rücksichtslosen
Materialismus , insbesondere das politische Parteienwesen sowie der „politische Schwindel“
und die „Entartung“ des allgemeinen Wahlrechts ins Zentrum der Kritik. Dieses würde
die „Bestechlichkeit von Richtern , finanzielle Unredlichkeit und die Käuflichkeit von Äm-
tern und Presse auf die Spitze treiben“175 und auf diese Weise ein „korruptes“ System von
„Gönnern , Günstlingen , Bestechungen und Abhängigkeiten“ schaffen , in dem „Sonder-
interessen vor diejenigen der Gesamtheit des Landes gestellt“176 würden ; eine Kritik , die
auch von Repräsentanten des linksliberalen Spektrums geteilt wurde , wenn auch hier die
„Ausartungen“ der „amerikanischen Maschinenpolitik“ als temporäre und somit korrigier-
bare Erscheinungen aufgefasst wurden.177
Von deutschnationaler völkischer Seite ( DNVP ) wurde Amerika im Preußischen Land-
tag ab 1930 dann bereits immer wieder als „Judenstaat“ bezeichnet , dessen „kranke“, „art-
fremde Niggerkultur“ von der deutschen Volksgemeinschaft fernzuhalten wäre. Aggressive
Kulturarroganz und rassistischer Überlegenheitsdünkel „deutscher“ Hoch- und Volkskul-
tur als Kultur schlechthin wurden zunehmend lauter artikuliert :
173 Siegmund Kunst , Die Weltlage des demokratischen Sozialismus. In : Der Kampf. Sozialdemokratische Mo-
natsschrift , 21. Jg., April 1928 , Nr. 4 , 138.
174 Richard Kleineibst , Mexiko. Ein Kapitel des amerikanischen Imperialismus. In : Der Kampf. Sozialdemo-
kratische Monatsschrift , 19. Jg., Februar 1926 , Nr. 2 , 111.
175 Czaja , Die USA und ihr Aufstieg zur Weltmacht um die Jahrhundertwende , a. a. O., 44.
176 Ebd., 45.
177 Ebd., 47.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741