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1. Images , Stereotype und Vorurteile
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sprung der Vereinigten Staaten , begeisterte sich für moderne Waffentechnik ebenso wie für
Automobile312 und zeigte sich von der wirtschaftlich-technischen Stärke der Vereinigten
Staaten beeindruckt.313
Doch trotz aller Faszination gegenüber technischer Produktion und Rationalisierung ,
die auch eine kompetitive Facette aufwies ,314 war Hitlers Amerikabild letztlich fundamen-
tal negativ geprägt , und zwar nicht zuletzt deshalb , weil für ihn „westliche Demokratie
einerseits und russischer Bolschewismus andererseits [ … ] die Form [ bilden ] , innerhalb
derer die heutige jüdische Weltanschauung ihren Ausdruck findet.“315 Die Überlegenheit
der USA – die sich „zu einem hohen Prozentsatz den deutschen Beitragsleistungen“316
verdanke
– interpretierte Hitler in kruder Weise rassenpolitisch , indem er den Vereinigten
Staaten infolge der europäischen Auswanderung317 und der selektiven Einwanderungspo-
litik ein „eugenisch“ hohes Potenzial attestierte.318 Angesichts des „minderen Wertes der
europäischen Völker“ könne dem gegenüber nur eine „bewusst völkische Rassenpolitik
[ … ] die europäischen Nationen davor retten , das Gesetz des Handelns an Amerika zu
verlieren“;319 nach dem Vorbild der ungeheuren räumlich-geografischen Entfaltungsmög-
lichkeiten der USA sollte sich dieses ‚Gesetz des Handelns‘ , gemäß der rassistisch ausge-
312 Ebd., 26.
313 So meinte Hitler bei seinen Tischgesprächen , dass Deutschland auf wirtschaftlichem Gebiet viel von den
Vereinigten Staaten lernen müsse. Vgl. James V. Compton , Hitler und die USA. Die Amerikapolitik des
Dritten Reiches und die Ursprünge des Zweiten Weltkrieges , Oldenbourg 1968 , 23. Umgekehrt orien-
tierte sich Roosevelt interessanterweise beim Aufbau des Arbeitsdienstes des „New Deal“, dem „Civilian
Conservation Corps“ ( CCC ), an organisationalen Elementen des nationalsozialistischen „Reichsarbeits-
dienstes“ ( RAD ). Siehe : Kiran Klaus Patel , „All of this helps us in planning“. Der New Deal und die NS-
Sozialpolitik. In : Aust / Schönpflug ( Hrsg. ), Vom Gegner lernen. Feindschaften und Kulturtransfers im
Europa des 19. und 20. Jahrhunderts , a. a. O., 237 f.
314 Vgl. Inge Marszolek , Das Amerikabild im „Dritten Reich“. Ambivalenzen und Widersprüche. In : Thad-
den / Escudier ( Hrsg. ), Amerika und Europa – Mars und Venus ? , a. a. O., 51.
315 Adolf Hitler , Reden , Schriften , Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. 5 Bde. Hrsg. v. Institut für
Zeitgeschichte München , München 1992 ff., Bd. I , Dok. 65 , 17. September 1925 , 153. Zit. nach : Gassert ,
Amerika im Dritten Reich , a. a. O., 97.
316 In den ausgewanderten Deutschen sah Hitler den ( unterschätzten ) „Kulturdünger für andere Völker“. Zit.
nach : Hitlers Zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahr 1928. Eingeleitet und kommentiert von Ger-
hard L. Weinberg. Mit einem Geleitwort von Hans Rothfels , Stuttgart 1961 , 117.
317 Nur die „Mutigsten , die Tapferen , entschlossensten , widerstandsbereitesten Menschen“ wären – in die
USA
– ausgewandert , wohingegen die „Feiglinge und Schwächlinge“ zu Hause geblieben wären [ sic ]. Zit.
nach : Hitlers Zweites Buch , a. a. O., 50.
318 Zur Beschäftigung Hitlers mit amerikanischen Arbeiten zur Rassenhygiene und Eugenik siehe Gassert ,
Amerika im Dritten Reich , a. a. O., 96.
319 Hitlers Zweites Buch , a. a. O., 125. „So wenig man nun die Leistung von 1. 000 verkommenen Levantinern
in Europa , sagen wir auf Kreta [ sic ] , gleichsetzen kann der Leistung von 1. 000 rassisch noch viel wertvol-
leren Deutschen oder Engländern , so wenig kann man aber auch die Leistung von 1000 rassisch bedenk-
lichen Europäern gleichsetzen der Leistungsfähigkeit von 1000 rassisch hochwertigen Amerikanern.“ Zit.
nach : Hitlers Zweites Buch , a. a. O., 125.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741