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„Our Country’s Call to Service“
abzugrenzen – bis 1941 auch , wenn auch keineswegs in ebenso großer Schärfe und Deut-
lichkeit , gegenüber dem Kommunismus –, ging es letztlich um die Mobilisierung purita-
nischer Werte , um die Verbindung von Glauben , Moral und Ökonomie :
“The guarding of American democracy may require powerful armies , navies , and air fleets , but
armies , navies , and air fleets are not enough. If democracy is to save itself , it must do far more
than appropriate billions of dollars for military defense , build tanks , airplanes , and battleships
[ … ]. The defense of democracy is far more than an economic question. In the last analysis it is
a moral and spiritual question
– a question of the values and ideas to be defended and applied
to life. It is a question of the education of free men , broadly and fundamentally considered.”498
Die konkreten Inhalte beziehungsweise die Loyalität zu jenen Werten , von denen das
Überleben der Demokratie gegenüber der Bedrohung durch die totalitären Achsenmächte
maßgeblich abhängen würde , umriss diese Schrift , wie zahlreiche andere auch – in frei-
er Auslegung der Grundrechte der amerikanischen Verfassung sowie der „vier Freiheiten“
Roosevelts499
– folgendermaßen : es ging um die Würde und den Wert des einzelnen Men-
schenlebens , das Prinzip der Gleichheit und Brüderlichkeit , um intellektuelle Redlichkeit ,
Kritik- und Meinungsfreiheit , um Fairness , Vertrauen in die Wissenschaft , soziale Verant-
wortungsbereitschaft , gegenseitigen Respekt , Recht auf Arbeit , individuelle Verpflichtung
zur „intelligenten“ Information über das Gemeinwesen , um den Kampf gegen Ignoranz ,
um Weiterbildungsbereitschaft sowie
– letztlich
– um den Glauben an die Herrschaft eines
gemeinsamen Gottes.500
Die genannten Werte und Vorstellungen , die freilich ausführlich beschrieben und ex-
emplifiziert wurden , sollten unter Einsatz aller Mittel mobilisiert werden , um der nunmehr
their Roman conquerors.“ Zit. nach : The Nazis and their Subjugated Neighbors. In : School and Society ,
Vol. 52 , 14. Dezember , 1940 , No. 1356 , 625. Auch nach Kriegsende findet sich ein Hinweis auf diese an-
gebliche „Austrifizierung“, indem auf den „ ‚Sieg‘ des österreichischen Hauptschulgedankens im Dritten
Reich“ verwiesen wurde : „Daß das österreichische Schulwesen in Organisation und bildender Wirksam-
keit turmhoch über jenem des sogenannten Altreiches stand , mußten sogar die eingefleischstesten Nazi-
lehrer zugeben , als bald nach dem März 1938 Kinder von draußen [ sic ] in unsere Schulen – der Zuzug
war ja äußerst rege – aufzunehmen waren [ … ]. Der innere Wert unseres österreichischen Schulwesens
konnte nicht einmal von den maßgeblichen Nazibehörden in Abrede gestellt werden. Ja , sie mußten sich
schließlich sogar bequemen , die Überlegenheit unserer Hauptschule gegenüber den mittleren Schultypen von
draußen [ sic ] insofern anzuerkennen , als durch das Hauptschulgesetz diese Hauptschule für das gesamte
Reichsgebiet eingeführt wurde.“ Zit. nach : Neues Österreich. Organ der demokratischen Einigung , 1. Jg.,
15. Juli 1945 , 2. [ Hervorhebung im Original ]
498 The Education of Free Men , a. a. O., 49 f.
499 „Freedom of speech“, „freedom of every person to worship god“, „freedom from want“, „freedom from fear“.
Zit. nach : Our Country’s Call to Service. Education and National Defense Series Pamphlet No. 1. Hrsg.
v. Federal Security Agency / U. S. Office of Education , Washington D.C. 1942 , 23.
500 Ebd., 55 ff.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741