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2. „Education for Victory“
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or‘ white man“ – wissenschaftliche Argumente gegen einen derartigen „kulturellen Chau-
vinismus“ darlegten.546 So hätten neuere Untersuchungen zu den Ergebnissen bisheriger
Intelligenz-Tests zur Untermauerung der Unterschiede zwischen Weißen und „Farbigen“
gezeigt , dass „[ the ] racial approach is all too simple in its methodology.“547
Gezielte Fördermaßnahmen gegen den hohen Analphabetismus ( 1941 : rund 17 Pro-
zent ),548 der Ausbau des primären und sekundären Bildungswesens für Afroamerikaner549
sowie Literarisierungsmaßnahmen innerhalb des Militärs speziell für „Farbige“550 soll-
ten Abhilfe schaffen. Die Kritik der real existierenden Diskriminierung im Alltagsleben ,
die Erhöhung der staatlichen Ausgaben für öffentliche Schulen für Afroamerikaner , wie-
derkehrende Verweise auf den wichtigen Beitrag der „Negroes“ als Arbeitskräfte in der
Kriegsindustrie sowie die proklamierte Notwendigkeit einer Einheit der sozial und eth-
nisch heterogenen USA führten während des Krieges zu tatsächlichen Verbesserungen
im Bereich der Arbeitssituation von Afroamerikanern sowie im Bereich des Bildungswe-
sens.551 Diese Erfolge konnten freilich selbst grundsätzlich optimistische Autoren nicht
darüber hinwegtäuschen , dass hier weiterhin fundamentaler demokratiepolitischer Ent-
wicklungsbedarf gegeben war.
Selbst eine von Präsident Roosevelt am 25. Juni 1941 erteilte Weisung [ Executive Order
8802 ] , insbesondere im Bereich der Verteidigungsindustrie künftig Afroamerikaner nicht
zu diskriminieren
– „[ … ] warning [ … ] government , employers , and labor that discrimina-
tion in defense industries is contrary to the country’s fundamental interests and must not be
Leon Eubanks / Edgar T. Thompson ( Eds. ), Race Relations and the Race Problem , Durham 1939 ; Ruth
Benedict / Mildred Ellis , Race and Cultural Relations. Problems in American Life ( National Education
Association , Unit No. 5 ), Washington D.C. 1942 ; M. F. Ashley Montagu , Man’s Most Dangerous Myth.
The Fallacy of Race , New York 1943 ; William E. Vickery / Steward G. Cole , Intercultural Education in
American Schools , New York 1943.
546 So z. B. die Beiträge von Margaret Mead , Franz Boas oder Hans Kohn in : Alain Locke / Bernhard J. Stern
( Eds. ), When People Meet. A Study in Race and Cultur Contacts , New York 1942.
547 Herman G. Canady , The Methodology and Interpretation of Negro-White Mental Testing. In : School and
Society , Vol. 55 , May 23 , 1942 , No. 1430 , 570.
548 Reddick , The Negro in the Building of America , a. a. O., 163.
549 Im Jahr 1940 gab es in 17 Bundesstaaten im Süden der USA keine einzige staatlich unterstützte Universi-
tät , an der „farbige“ College StudentInnen weiter studieren konnten. Siehe : Charles H. Wesley , Graduates
for Negroes in Southern Universities. In : Harvard Educational Review , Vol. X , 1940 , No. 1 , 82 ; weiters :
Alice I. Bryan , Equalizing Public Education for Negroes in Tennesse. In : School and Society , Vol. 58 , July
3 , 1943 , No. 1488 , 11.
550 So stellte die NEA Research Division 1940 in einer Untersuchung in einem Militär-Camp in Washington
D.C. fest , dass 76 % der afroamerikanischen Rekruten – gegenüber 11 % der weißen – funktionelle Anal-
phabeten wären. Vgl. Education in Wartime and After , a. a. O., 185.
551 So bspw. in Montgomery / Alabama : 1936 hatten nur wenige afroamerikanische Lehrer Universitätsab-
schlüsse ; 1944 waren es dann immerhin bereits 53,6 % und damit mehr , als 1936 für weiße Lehrer zutraf.
Vgl. School and Society , Vol. 61 , June 30 , 1945 , No. 1592 , 430.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741