Seite - 142 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Bild der Seite - 142 -
Text der Seite - 142 -
2. „Education for Victory“
142
Gerade weil sich sowohl die CAD als auch die militärischen Geheimdienste wie das „Of-
fice for Strategic Studies“ ( OSS )606 oder das „Office of War Information“ ( OWI ) nicht
mit Konzepten eines längerfristigen , edukativ-kulturellen Rehabilitations-Programmes
beschäftigen konnten oder wollten , vertraten die Mitglieder des „Advisory Committees“
einhellig die Auffassung , dass diese Agenden weiterhin vom State Department betreut
werden sollten.607
Inhaltlich bildete die Reorientierungs-Diskussion innerhalb des „Advisory Committees“
ab , was innerhalb der öffentlichen Auseinandersetzung mit der „Education or Victory“
bereits ( ebenso vage ) thematisiert wurde : in einer ersten Phase Entnazifizierungs- und
Kontrollmaßnahmen der Militärregierung unmittelbar nach Kriegsende und daran an-
schließend kulturelle Rekonstruktion ( „cultural reconstruction“ ) in Form ziviler Koope-
ration im Bereich von Bildung und Kultur. Es fehlte aber ein klares Konzept und ebenso
eine Antwort auf die Frage , welche US-Einrichtung für die Rekonstruktion schließlich
verantwortlich zeichnen würde. Dem Komitee , das im Sommer 1943 bereits wieder auf-
gelöst wurde , folgte das unmittelbar darauf geschaffene „Interdivisional Committee for
Germany“ des State Department , das unter Leitung von David Harris im September einen
allgemeinen Plan zur „Political reorganization of Germany“ vorlegte. Wie James F. Tent
ausführt , sah dieser Plan eine reduzierte alliierte Kontrolle vor und sollte auf Seite der
Deutschen möglichst ein „minimum of bitterness“608 bewirken ; von „Educational Recon-
struction“ war darin allerdings kaum die Rede. Erst im Frühjahr 1944 beschäftigte sich das
„Interdivisional Committee for Germany“ neuerlich mit Fragen der „Reeducation“, diesmal
auf Anfrage der CAD und bereits im Kontext der Planungen für die Militärregierungen
der Supreme Headquarter Allied Expeditionary Forces ( SHAEF ) unter General Eisen-
hower. Das ausgearbeitete Papier , das unter dem Einfluss der zuvor geführten Diskussion
des Advisory Committees stand , blieb im Zusammenhang der angelaufenen militärischen
Planungen zunächst aber ohne jede praktische Auswirkung.609
Vielfältiger , differenzierter und mitunter auch kontroversieller verlief der Diskurs zur
Educational Reconstruction allerdings in der öffentlichen Diskussion ; er setzte auch früher
ein610 und auf ihn soll im Folgenden etwas näher eingegangen werden.
606 Vgl. Richard Harris Smith , OSS. The Secret History of America’s First Intelligence Agency , Berkeley 2005
[ 1972 ].
607 U. S. Department of State , Bureau of Educational and Cultural Affairs , History Files , ( CU / H ). Minutes.
Meeting of the General Advisory Committee on Post-War Programs ( GAC ), February 23 , 1942 , 24–25.
Zit. nach : Tent , Mission on the Rhine , a. a. O., 19.
608 Ebd., 21.
609 Ebd., 21 f.
610 Vgl. dazu Walter M. Kotschnig , Problems of Education after War. In : International Conciliation , No. 379 ,
April 1942 [ Carnegie Endowment for International Peace ]. Darin beschäftigte sich der österreichische
Emigré Kotschnig zwar primär mit den Erfordernissen einer international ausgerichteten Erziehung nach
dem Krieg in Amerika , schuf aber durch die Abgrenzung zu NS-Erziehung und kommunistischer Indok-
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741