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„Our Country’s Call to Service“
sche Gesellschaft die demokratischen Werte selbst klar verdeutlichen würde , konnte der
„amerikanische Weg“ gelebter Demokratie im Sinne der „One-World“ Willkies als Vorbild
für eine Neuorientierung nach Kriegsende auftauchen , ohne dabei als arrogante Demons-
tration der Macht gemeint zu sein. Der Universalismus begründete sich dieser Auffassung
nach klar durch die in der amerikanischen Demokratie grundgelegten Prinzipien : „It is not
the uniqueness of American ideals but their universality that constitutes their significance.“
Wobei der hier zitierte US-Historiker Henry Murray Dater die kritische Frage anfügte ,
inwieweit das derzeitige nationalistische Amerika angesichts des alle Ideale unterminie-
renden Materialismus für eine weltweite , ideelle Führungsaufgabe überhaupt geeignet sei :
„Even more difficult will be the task of making American idealism fit the world pattern. If
the leadership of the United States is to benefit all human society , it must appeal in terms
wich other peoples can understand.“619
Und Archibald MacLeish , 1941 und 1942 Leiter der US-Propagandaabteilung „Office
for Facts and Figures“, meinte bezüglich der künftigen Führungsrolle Amerikas ( „the fu-
ture is America’s to make“ ): „It is not our future , as a few Americans have asked us to belie-
ve , to master or exploit [ … ]. It is ours to shape , not because we have many planes or great
numbers of ships or rich industrial resources but for a different reason ; because we have the
power as a people to conceive so great a future as mankind must now conceive – because
we have behind us a tradition of imagination in the people.“620
Die traditionell enge Verknüpfung von „Education“ mit Demokratie , das politische
Verständnis von amerikanischer „Education“ als spezifisch demokratischer , also amerika-
nischer Lebenspraxis im Sinne einer aktiven „Citizenship“, der Glaube an den „American
way of life“, die intensive demokratiepolitische Selbstvergewisserung sowie die wieder-
kehrenden Verweise auf die Fehler der Wilsonschen Politik nach dem Ersten Weltkrieg
bilden die moralische Hintergrundfolie für die „Educational Reconstruction“, später auch
für die „Reeducation“ beziehungsweise die „Reorientation“ als Instrument der politischen
Neuordnung und des demokratischen Wiederaufbaues
– ein Wiederaufbau , dessen inhalt-
liche Zielsetzung von gänzlich anderen , nämlich friedliebend-demokratischen Idealen und
Wertvorstellungen geprägt sein müsse : „[ … ] if we are to have peace in the world , we must
have teaching with exactly opposite ideals.“621
Die politische Ausgangslage für die Post-War-Reconstruction wurde wiederholt mit
direktem , kritischem Bezug auf die historischen Versäumnisse nach 1918 formuliert. So
sense of security.“ Henry Murray Dater , The Mission of American Liberal Scholarship in the New World
Order. In : School and Society , Vol. 58 , October 2 , 1943 , No. 1501 , 251.
619 Letztlich wäre es – und hier berief sich der US-Historiker der Kent-State University auf eine Aussage
eines ( ungenannten ) „bedeutenden österreichischen Historikers“ – ja auch weitaus einfacher , eine Revo-
lution auszulösen , als eine Institution oder eine Gesellschaft auf Abwegen zurück auf den rechten Weg zu
bringen. Dater , The Mission of American Liberal Scholarship , a.a.O , 251 f.
620 Zit. nach : Harding , Can the Liberal Arts Tradition Survive ? , a. a. O., 312.
621 Henry S. Curtis , Education for Permanent Peace. In : School and Society , Vol. 58 , July 17 , 1943 , No. 1490 , 34.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741