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2. „Education for Victory“
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stand etwa für das U.S. Office for Education außer Frage , dass nach Kriegsende eine Re-
konstruktion nötig sein würde , „which permits the spirit of freedom and democracy to
flourish.“622 Die Frage nach dem „Wie“ beziehungsweise „Warum“
– „Why have we failed ?
Why is it again necessary to defeat Germany as the precondition for the possible restorati-
on of some tolerable order in international relations ?“623
– wurde auch hier mit Bezug auf
die strukturell ähnliche Ausgangssituation nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gestellt ,
wo Präsident Wilson mit der Anregung zu Schaffung des Völkerbundes eine dauerhafte
Friedensicherung intendiert hatte. Eine Frage , die sogleich mit einem Katalog möglicher
Gründe ( „Ifs“ ) beantwortet wurde :
“Many answers have been advanced to these questions. If we had joined the League of Nations ;
if we had more actively contributed to the support of democratic elements in Germany , thus
preventing Hitler’s rise to power ; if we had settled the reparations and war debts questions
unselfishly and realistically ; if we had helped to build an international system of political econ-
omy , etc.
– this grim price we must now pay for a second chance at the building of a civilized
world might never been required of us.”624
Und es war klar , dass die zweite Chance einer dauerhaften „Zivilisierung“, also eine nach-
haltige Veränderung in Richtung einer ( globalen ) gesellschaftlichen Demokratisierung ,
neben Entmilitarisierung , Entnazifizierung625 und sozialer und wirtschaftlicher Stabili-
sierung , aus amerikanischer
– aber auch aus britischer626
– Sicht vor allem beim Bildungs-
und Erziehungswesen anzusetzen hatte :
“This systematic and intensive indoctrination of German youth has been called the most effec-
tive bit of teaching ever carried on anywhere. It leaves no doubt as to the intent of those who
organized it. Those who have had ten years of it in the German schools will be a tremendous
problem in the years to come. The young men who have just surrendered to the American
forces in Tunisia have been saying : ‘We may lose this war , but we will win the next one’.”627
622 Our Country’s Call to Service , a. a. O., 21.
623 Ebd.
624 Ebd.
625 Ziele , die in der Atlantik-Charta 1941 bereits angesprochen und dann erst auf der Jalta-Kriegskonferenz
im Februar 1945 als gemeinsamer „Wille“ der alliierten Nachkriegspolitik proklamiert wurden. Vgl. Kee-
sings Archiv der Gegenwart , Jg. 1945 , 1. Jänner , 10 ff. bzw. ebd., Jg. 1945 , 11. Februar , 87.
626 Vgl. Educational Reconstruction. In : Nature , Vol. 152 , July 31 , 1943 , No. 3948 , 120–121 sowie : Education
after War. In : Nature , Vol. 152 , August 21 , 1943 , No. 3851 , 221–222.
627 Ähnlich wurde die Situation übrigens auch in Japan eingeschätzt : „Much the same spirit pervades the
schools of Japan.“ Curtis , Education for Permanent Peace , a. a. O., 33. Im Unterschied zu Deutschland
und Österreich wurde nach 1945 das japanische Erziehungswesen strukturell tief greifend verändert und
zumindest äußerlich amerikanisiert
– die zentrale Befehlsgewalt der US-Militärbehörden mag hier zusam-
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741