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„Our Country’s Call to Service“
tarism and hate may continue to lurk under a veneer of professed democratic ideals.“646 Ein
von beiden vorgeschlagener Weg wäre dabei die Finanzierung eines Austauschprogramms
speziell für die Jugend , die in ausgewählten Gruppen in Amerika mit dessen demokrati-
schen Zielen und der dortigen Lebensrealität vertraut gemacht werden sollte , um die darin
verkörperten Ideale in der kulturellen Umgebung ihrer Heimat einbringen zu können.
Interessanterweise vertrat Kotschnig hier eine etwas weichere Position als in seiner Rol-
le als Experte innerhalb des oben genannten „General Advisory Committee“ des U.S. State
Department , wo er sich für eine dezidiert „ideologische Reorientierung“ des deutschen
Lehrpersonals durch spezielle langfristige Trainingskurse für ältere Lehrer und längere
Amerikaaufenthalte für die unter Dreißigjährigen aussprach , „to understand life in a demo-
cracy and free country“.647 Außerdem schlug Kotschnig
– durchaus ähnlich dem von ihm
kritisierten „export of education“
– vor , bereits jetzt mit der Produktion von Unterrichtsbü-
chern ( „textbooks“ ) zu beginnen , die unmittelbar nach Kriegsende die NS-Bücher ersetzen
sollten. Dies stieß prompt auf massive Kritik von John W. Studebaker vom „U.S. Office for
Education“, der die Auffassung vertrat , derartige Maßnahmen wären erst mit einer klaren
Einschätzung der tatsächlichen Bedürfnisse sinnvoll durchzuführen.648
Die Vorschläge der Harper-Ferry-Konferenz , die vom „Liaison Committee for Inter-
national Education“649 übernommen wurden , waren also de facto weit von einem harten
Reeducation-Konzept entfernt und beinhalteten lediglich eine Reihe von konkreten Punk-
ten , die über den Bereich bloß theoretischer Reflexion hinausgingen.650
Nach der vollständigen Beseitigung ( „eradication“ ) aller nationalsozialistischen Spuren
auch im Bildungswesen war für die Übergangsphase bis zur Einsetzung nationaler Re-
gierungen eindeutig von der notwendigen Kontrolle der Achsenmächte durch zivile und
militärische Besatzungsorgane der siegreichen „United Nations“ die Rede , die jedoch „na-
turally , attempt to secure the co-operation of local people who are in sympathy with their
general objectives and to have as many of steps in educational reconstruction as possible
taken by local administrators.“651
Vorgeschlagen wurde für den „early stage of United Nations administration“ unter an-
derem
– eine gezielte Informations- und Medienpolitik über Film , Presse und Rundfunk ,
– die Unterstützung der Militärbehörden durch lokale Komitees , zusammengesetzt aus de-
klarierten Gegnern von Faschismus , Nazismus und japanischem Militarismus , zur Elimi-
646 Ebd.
647 Zit. nach : Tent , Mission on the Rhine , a. a. O., 18.
648 Tent , Mission on the Rhine , a. a. O., 18.
649 Bei diesem Verbindungskomitee dürfte es sich um ein unter den Auspizien des U. S. Office of Education
stehendes Gremium gehandelt haben , das u. a. auch Kontakt zum genannten britischen Joint Committee hielt.
650 Proposal for the Reconstruction of Education in the Axis Countries [ Grayson N. Kefauver ]. In : School and
Society , Vol. 58 , November 6 , 1943 , No. 1506 , 379–381.
651 Ebd., 379.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741