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Exkurs : die österreichische Emigration in den USA
demokratischen Gemeinwesens verglich. Angesichts der totalitären Barbarei in Europa
strich Ekstein demonstrativ die auf Freiheit des Einzelnen gegründete Gesellschaftsord-
nung Amerikas als vorbildhaften Gegenpol hervor und huldigte dem „pedagogic creed“
des Exillandes :
“Fascist education is [ … ] using the primitive instincts and wishes of people. [ … ] We must
understand the needs of our children and show them that all they want they can find in our
democratic culture , but not in fascist barbarism. [ … ] They want to have ideals , good models
they can love , trust and imitate. [ … ] It is courageous to defend the liberty of every member
of the nation. It is courageous to destroy all remainders of inequality between different groups
in our nation. It is courageous and dangerous to work on sky scrapers , on the great bridges
and to build great dams. It is courageous to decide independently , to think and act as a free
man ; but it is not courageous to follow a leader blindly like a small child. [ … ] We have real
ideas for our children. [ … ] The lives of our great inventors , explorers , writers are much more
thrilling than the life of a watchdog in a concentration camp. [ … ] I prefer that attitude , which
Abraham Lincoln expressed in these words : ‘As I don’t want to be a slave , I also don’t want to
be a master’.”820
Weitere Überlegungen für eine Nachkriegserziehung in Österreich finden sich in einem
kurzen Manuskript Willibald M. Plöchls , der hinsichtlich der Ausarbeitung von „Leit-
gedanken“ und Vorschlägen für die „künftige Regelung des gesamten Schul- und Erzie-
hungswesens“ und die „geistige Umgestaltung der Schuljugend“ insbesondere an die He-
ranziehung von „Mitglieder[ n ] geistlicher Orden und Kongregationen“ dachte. In dem
angesprochenen Text , der freilich kaum an transideologischer Demokratisierung interes-
siert war , heißt es diesbezüglich wörtlich : „Wir müssen in der Lage sein , für alle unteren
und mittleren Schultypen sofort Lehrbücher ausgeben zu können , die der Idee einer Ge-
meinschaft der Donauvölker dienen und die getragen sind von den Fundamenten unserer
christlichen Weltanschauung. [ … ] Im besonderen muß das Leitmotiv des Unterrichts ,
sofern er auf das Vaterlandsgefühl Rücksicht nimmt , folgendes sein : Österreich ist Teil
des Donauraumes [ … ] Österreich ist darin [ … ] nicht die bloße ‚Brücke‘ eines jede andere
Nation unterdrückenden ‚Gesamtdeutschtums‘ , sondern der Kern einer übernationalen
Reichsidee , die ihre tiefste Wurzel im universalen Katholizismus hat.“821
820 Rudolf Ekstein , A refugee teacher looks on democratic and fascist education. In : Education. A monthly
magazine. Devoted to science , art , philosophy and literature of education , Vol. 60 , 2 , Boston / Massachusetts
[ Oktober ] 1939 , 101–109. Zit. nach : Eppel , Österreichische Exilpolitik in den USA. In : Österreicher im
Exil USA , 1938–1945. Eine Dokumentation. Bd. 1 , a. a. O., 481 f.
821 Willibald M. Plöchl , Leitgedanken zu Vorarbeiten für das künftige österreichische Schul- und Unter-
richtswesen [ DÖW 15. 188 / 64 ]. Zit. nach : Eppel , Österreichische Exilpolitik in den USA. In : Österrei-
cher im Exil USA , 1938–1945. Eine Dokumentation. Bd. 2 , a. a. O., 332.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741