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Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte
pletely to eliminate Nazi and militaristic doctrines and to encourage the development of
democratic ideas.“927
Ein weiterer Grund dafür , dass die in eine Vielzahl ziviler Einrichtungen und Initiati-
ven zersplitterten Redemokratisierungs-Planungen an keiner zentralen Regierungsstelle
verantwortlich zusammengeführt und diese zu keiner politischen Generallinie gebündelt
wurden , liegt sicherlich auch in dem unsystematisch-chaotischen Politikstil Roosevelts’.
Robert H. Keyserlingk beschreibt Roosevelt als „helter-skelter administrator“928 und des-
sen oftmalige Ad-hoc-Entscheidungen als frustrierend , sowohl für alle dem Präsidenten
unmittelbar unterstellten Mitarbeiter als auch für die alliierten Bündnispartner. Darüber
hinaus holte Roosevelt in allen weitreichenden außenpolitischen Planungsfragen primär
die Expertise militärischer Gremien wie zum Beispiel den „Joint Chiefs of Staff“ ( JCS )
unter Leitung von General George C. Marshall ein , und überging dabei nicht selten den
Secretrary of State , Cordell C. Hull , indem er diesem sensible Informationen schlicht vor-
enthielt.929 Die fehlende Koordinierung aller mit administrativen Agenden befassten Stab-
stellen sowie die zwischen War Department und State Department stark aufgesplitterten
Aufgaben- und Funktionsbereiche in allen Fragen der Nachkriegsplanung hatten unklare
Kompetenzverhältnisse im Hinblick auf die Planungen der zivilen Militärverwaltungsauf-
gaben ( „civil affairs“ ) zur Folge , die bis in die Nachkriegszeit bestehen blieben und teils zu
gegenläufigen , teils zu überlappenden Aktivitäten führten.930
Anders als im Ersten Weltkrieg , als die amerikanischen Streitkräfte den zivilen Verwal-
tungsaufgaben ohne jede Vorbereitung gegenübergestanden hatten , wollte die US-Army
den verschiedenen zivilen Aufgaben im Kriegsverlauf ( Internierungslager , Displaced Per-
sons , Seuchenbekämpfung , Infrastrukturaufbau , öffentliche Sicherheit in den besetzten
Gebieten et cetera ) diesmal besser vorbereitet begegnen und richtete zu diesem Zweck , wie
bereits erwähnt , im April 1942 eine erste „School of Military Government“ ein. Hier , wie
auch in den weniger spezialisierten Ausbildungsstellen in den verschiedenen „Civilian Af-
fairs Training Schools“ ( CATS ), sollte der Nukleus jener Offiziere ausgebildet werden , die
später mit Aufgaben der Militärverwaltung befasst sein würden.931 Die Öffnung der ersten
927 Paragraph 14 von JCS 1067 ( „Education“ ) gliederte sich in 4 Punkte und sah primär die Kontrolle über
das gesamte primäre und sekundäre Schulwesen vor. Die Schulen waren zunächst in toto zu schließen
und sollten erst , nach erfolgten ‚Säuberungsmaßnahmen‘ , unter alliierter Supervision wieder geöffnet
werden. FRUS , Diplomatic Papers , 1945. Vol. III. European Advisory Commission ; Austria ; Germany ,
Washington D.C. 1968 , 492. Directive to Commander in Chief of the United States Forces of Occupation
Regarding the Military Government of Germany , IPCOG , 26. April 1945.
928 Robert H. Keyserlingk , Austria in World War II. An Anglo-American Dilemma , Kingston – Montreal
1988 , 103.
929 Vgl. Robert Dallek , Franklin D. Roosevelt and American Foreign Policy , 1932–1945 , New York 1968 , 421.
Zit. nach : Keyserlingk , Austria in World War II , a. a. O., 103 bzw. 104.
930 Keyserlingk , Austria in World War II , a. a. O., 104.
931 Vgl. Harold Zink , The United States in Germany , 1944–1955 , Toronto – New York – London 1957 , 11 f.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741