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Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte
“For your information , the paper has many objectionable features on the whole , suggests a ‘soft’
treatment of German educational system. It is not in line with the present thinking of the U.S.
members of CCAC or the Joint Chiefs of Staff.”964
Zuletzt wies Hilldring noch darauf hin , dass das SHAEF-„Handbook for the Military
Government of Germany“ ohnedies bereits genügend detaillierte Instruktionen hinsicht-
lich des Schul- und Bildungswesens enthalten würde.
Soweit die technokratische , unkonziliante und harte Position der US-Army zu inhaltli-
chen Fragen der demokratischen Nachkriegsordnung sowie zu den gegensätzlichen Auf-
fassungen zwischen Amerikanern und Briten , deren bisherige gemeinsame Nachkriegspla-
nung innerhalb der German Country Unit sich im Sommer 1945 schließlich auflöste. An
deren Stelle trat das „US Group Control Council“ ( USGCC ) sowie die „Control Commis-
sion“ auf britischer Seite. Durch diese gremiale Trennung waren die US-Planer gegenüber
den über qualifiziertere Experten verfügenden Briten künftig auf sich gestellt , wodurch die
Planungen aus Sicht der CAD „ins Schlepptau der Briten“ zu geraten drohten.965
Aus diesem sich abzeichnenden planerischen Vakuum heraus erreichte General Hilldring
Ende April 1944 gegenüber dem State Department die Einrichtung eines mit zivilen Ex-
perten besetzten „Inter-Divisional Committee on Germany“, das umgehend ein Papier zur
„Re-Education“ in der Besatzungszeit vorlegte und darin auf die Dringlichkeit verwies , zum
Zweck der „psychologischen Abrüstung“ der Deutschen ( „psychological disarmament“ ) so
rasch wie möglich „a carefully planned program of re-education“ auszuarbeiten , denn die
Niederlage allein würde die Deutschen
– wie schon nach 1918
– nämlich keineswegs zu einer
konstruktiven und dauerhaft friedlichen Politik bewegen können.966 Neben der restriktiven
Entnazifizierung sollte zudem jede Anstregung unternommen werden , „to eradicate from
the German minds those concepts which have been at the root of Nazi indoctrination“, so
zum Beispiel Militarismus , Führerkult , die historische Mission der „Weltherrschaft“, der
Glaube an die Überlegenheit der deutschen Kultur , der irrationale Nationalismus und der
Kult um die Volksgemeinschaft , sowie „Racial megalomania and intolerance“.967
Hinsichtlich der positiven Langzeitmaßnahmen für eine erfolgreiche mentale Rekons-
truktion fuhr das zivile „Inter-Divisional Committee“ in seinem Vorschlag mit allen theo-
964 The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 , a. a. O., 2-A–153. Major General J , H ,
Hilldring , Director , Civil Affairs Division , to Colonel Thomas S. Horne , Jr., U. S. Secretary , London Subcom-
mittee , Combined Civil Affairs Committee , c / o G-5 Division SHAEF , New York , 2. September 1944 , 1.
965 Tent , Education and Religious Affairs Branch , OMGUS , a. a. O., 69.
966 Germany. Occupation Period : Re-Education. Views of the Inter-Divisional Committee on Germany ,
CAC–167 , Country and Area Committee , 4. Mai 1944 , 1. Hoover Institution Archives , Stanford Univer-
sity , John Doane Hartigan Papers , 1909–1958 , Box 7 : Military reports and career of John Doane Harti-
gan. Für die Überlassung von Kopien aus diesem Quellenbestand bin ich Herrn Univ.-Prof. DDr. Oliver
Rathkolb , zu Dank verpflichtet.
967 Ebd., 4.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741