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Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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231 Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte Der Hauptwert der Kriegsgefangenenverhöre lag , wie Rafael A. Zagovec hervorhebt , darin , dass durch die durchgeführten Vernehmungen und protokollierten Erlebnisberichte auch hochrangiger NS-Offiziere und sonstiger militärischer Führungspersonen eine mate- riale Grundlage für die Verurteilung der NS-Massenverbrechen bei den Nürnberger Pro- zessen geschaffen wurde.982 Des Weiteren gibt es Indizien , dass die Erfahrungspraxis der Verhöre die Basis für die theoretische Weiterentwicklung der amerikanischen Soziologie in den nachfolgenden Jahrzehnten schuf.983 Durchgeführt wurden die unterschiedlich geführten US-Verhöre , deren Ergebnisse al- lerdings nie zusammengeführt beziehungsweise analysiert wurden , in den meisten Fällen von deutschen und österreichischen Emigranten.984 De facto ließ sich dieses großangelegte Kriegsgefangenen-Projekt aber nicht lange vor der US-Öffentlichkeit geheimhalten , die angesichts der großen Zahl an NS-Gefangenen und ruchbar gewordenen Gewalttaten in den Lagern überaus negativ reagierte und die in- nere Sicherheit gefährdet sah. Wohl nicht zuletzt deshalb , und weil die deutschen Kriegs- fangenen weniger „unkorrigierbar“ erschienen als die „supposedly fanatical Japanese“, ent- schloss sich das US-Militär im Herbst 1943 zu einer quasi edukativen Maßnahme durch den Provost Marshall General ( OPMG ): Unter der Leitung von Col. Edward Davison985 innerhalb der neu geschaffenen „Special Projects Division“ ( SPD ) wurden Vorbereitungen für ein zunächst geheimgehaltenes Programm zur „intellectual diversion“ der deutschen Kriegsgefangenen getroffen.986 Die Geheimhaltung erfolgte deshalb , weil die Genfer Kon- vention jede propagandistische Indoktrinierung von Kriegsgefangenen verbot und und man außerdem Vergeltungsmaßnahmen an amerikanischen Soldaten in deutscher Gefan- über die „Zukunft Österreichs“ zu machen. Dieser brachte seine Ansichten unter dem Titel „The Future of Austria“ zu Papier , die nachfolgend den Vertretern der drei politischen Parteien in anonymisierter Form zur politischen Bewertung vorgelegt wurden. Siehe : Christian H. Stifter , NS-Kriegsverbrecher als „intel- ligente Analysten“ der politischen Nachkriegssituation ? Anmerkungen zu einem „Experiment britisch- amerikanischer Militärstellen in Österreich 1945. In : Zeitgeschichte , 28. Jg., 2001 , Heft 6 , 321 ff. 982 So war bspw. Marcel Prawy als Interview-Ausbildner tätig , oder Klaus Mann als PWB-Verhörspezialist an der italienischen Front eingesetzt. Siehe : Zagovec , „The Mind of the Enemy“, a. a. O., 279. 983 Zagovec , „The Mind of the Enemy“, a. a. O., 270 f. 984 Ebd., 271 , Anm. 16. 985 Edward Davison , ein gebürtiger Schotte und erst kurz zuvor naturalisierter US-Bürger , war Universi- tätsprofessor und Poet , der vorher in der „Morale Division“ der US-Army tätig war. Wie Robin schreibt , hatte Davison „no academic or professional experience in the study of German culture ; in fact he had no meaningful command of the German language at all.“ Robin , The Barbed-Wire College , a. a. O., 44. Die im Zuge des anlaufenden Projektes angeworbenen leitenden Mitarbeiter von Davison mit mehrheitlich akademischem Background waren : sein Stellvertreter Maxwell McKnight , Yale-Jurist , Walter Schoenstadt , früherer Herausgeber des Berliner Tagblatts und „glühender Kommunist“, der Amerikanist Howard Mum- ford Jones , der deutsche Historiker Henry Ehrmann , der 1940 in den USA ankam , der Philosoph T. V. Smith , ein Schüler John Deweys , sowie der Spezialist für Alte Geschichte , Michael Ginsburg. Siehe : ebd., 46 ff. 986 Robin , The Barbed-Wire College. Reeducating German POWs , a. a. O., 8.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Untertitel
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Autor
Christian H. Stifter
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
762
Schlagwörter
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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