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2. „Education for Victory“
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genschaft befürchtete.987 Mitangeregt worden war das POW-Project vom State Depart-
ment , als Secretary of State , Cordell Hull , Kriegsminister Henry L. Stimson Ende März
1943 vorschlug , „deutschen Kriegsgefangenen Verständnis für amerikanische Institutionen
und Ideale beizubringen“.988
Tatsächlich war der verantwortliche militärische Leiter des gesamten US-POW-Pro-
gramms , Provost Marshall General Allen W. Gullion , jedoch einer der entschiedensten
Gegner der gesamten Reeducation , weil er sie für nutzlos und auch kindisch hielt.989 Es
verwundert daher weder , dass das War Department
– unterstützt vom State Department
–
erst im März 1944 erste Überlegungen zur „indoctrination of German prisoners of War“
formulierte , noch , dass die darin entwickelte Strategie einer Umerziehung wenig durch-
dacht war und bis über das Kriegsende hinaus auch nicht weiter modifiziert wurde.
Obwohl das POW-Reeducation-Programm im Kern keineswegs auf eine simple ideo-
logische Indoktrinierung der Kriegsgefangenen abzielte , war die kaum durchdachte Mi-
schung aus Laissez-faire , Hinführung zu hochintellektueller Lektüre , Schulunterricht auf
eher niedrigem Niveau sowie die unterschiedslose Behandlung unterschiedlicher militäri-
scher Dienstränge nur wenig dazu angetan , einen profunden Einstellungswandel bei den
Inhaftierten hervorzurufen.
Ausgehend von der wohl keinesfalls unzutreffenden Annahme , dass die meisten deut-
schen Kriegsgefangenen Amerika als unkultiviertes , minderwertiges Land betrachteten ,
sollte die positive „Indoktrinierung“ darauf gerichtet sein , „to reach the Germans by pre-
senting to them in so far as is possible in the circumstances the best aspects of American
life and institutions.“990
Die ursprünglich beabsichtigte Vorbildwirkung und das Lernen durch konkrete Er-
fahrung kamen aber schon allein deshalb nicht zum Tragen , da die Reeducation-Offiziere
aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse kaum direkten Zugang zu den Gefangenen hatten.
Die Hoffnungen , die sich manche zeitgenössische akademische Beobachter des Experi-
ments von außen machten , wie zum Beispiel der emigrierte deutsche Soziologe und Psy-
chiater jüdischer Herkunft , Curt Bondy , erfüllten sich ebenso wenig wie die Warnungen
hinsichtlich der negativen Auswirkungen zu großer Freiheiten im spezifischen Setting der
Gefangenenlager Beachtung fanden :
987 Theuermann , Umerziehung und Amerikabild , a. a. O., 73 ; weiters : Robin , The Barbed-Wire College. Ree-
ducating German POWs , a. a. O., 8.
988 Vgl. Hermann Jung , Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand
– USA (= Zur Geschichte
der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs , Bd. X / 1 ), Bielefeld 1972 , 213. Hier zit. nach :
Theuermann , Umerziehung und Amerikabild , a. a. O., 73 , Anm. 431.
989 Robin , The Barbed-Wire College. Reeducating German POWs , a. a. O., 22.
990 NARA II , RG 389 , Box 1603. Department of State , Special War Problems Division , „Indoctrination of
German Prisoners of War , 2. März 1944. Hier zit. nach : Robin , The Barbed-Wire College. Reeducating
German POWs , a. a. O., 25.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741