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Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte
„Gruppe 47“1001 wie Alfred Andersch oder Hans Werner Richter , die dann nach dem Krieg
und ihrer Rückkehr nach Deutschland bezeichnenderweise deutlich anti-amerikanische
Ansichten vertraten.1002
Wie Ron Robin verdeutlicht , blieben die POW’s in ihrem Lageralltag , der , kaum super-
vidiert von US-Wachpersonal , von arbeitsbefreiten deutschen Unteroffizieren organisiert
wurde , letztlich sich selbst überlassen , wodurch sich innerhalb kürzester Zeit strikte mili-
tärische Disziplin und soldatische Hackordnung mit internen Straf- und Vergeltungsmaß-
nahmen für Abtrünnige sowie ritualisierte NS-Glorifizierung etablierten. Gegenüber den
US-Soldaten lebten im Lageralltag ideologische Verhaltens- und Einstellungsmuster auf ,
die die deutschen Kriegsgefangenen , die weiterhin vom „Endsieg“ träumten , in ein Gefühl
der Überlegenheit gegenüber ihren amerikanischen Bewachern versetzten und diese nicht
selten sogar verhöhnten :
“The individual soldier’s duty was to humiliate the American wardens
– the equivalent of snip-
ing. A common tactic was to praise American guards for their treatment and adequate food ,
promising them that they would be remembered and rewarded after the ultimate German vic-
tory. Larger formations and , at times , the entire camp launched more concerted attacks against
the enemy , ranging from singing of Nazi marching songs [ … ]. Ultimately , scorn for the enemy
was demonstrated by an elaborate panoply of symbols : the use of the Nazi salute both among
themselves and upon confronting an American officer , and the conspicuous and defiant dis-
play of Nazi regalia , such as the waving of homemade swastika banners when prisoners passed
through American towns on their way to work details. [ … ] Nazi holidays , including Hitler’s
birthday , were celebrated routinely in the early stages of captivity. These ceremonies continued
secretly after American officials banned them.”1003 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Unter den kriegsgefangenen Wehrmachtsoldaten befanden sich rund 30. 000 Österrei-
cher ,1004 die , trotz in der New York Times erhobenen Forderungen nach einer Separie-
rung ,1005 nicht von den deutschen POWs getrennt wurden ; sie wurden auch trotz Mos-
kauer Deklaration und der allgemeinen Trendwende der US-Politik gegenüber Österreich
1001 Vgl. Wilfried van der Will , The Agenda of Re-education and the Contributors of Der Ruf 1946–47.
In : Stuart Parkes ( Ed. ), The Gruppe 47. Fifty years on a re-appraisal of its literary and political signifi-
cance , Amsterdam et al. 1999.
1002 Robin , The Barbed-Wire College. Reeducating German POWs , a. a. O., 66 f.
1003 Ebd., 34 f.
1004 Zagovec , Islands of Faith : National Identity and Ideology in German POW Camps , a. a. O., 114.
1005 So kritisierte die New York Times die Aussage von Brig. Gen. Bryan , als Provost Marschall zuständig für
das POW-Programm , dass die USA sich strikt an die Genfer Konvention halten würden , mit Hinweis
auf die nicht erfolgte Trennung der österreichischen von den deutschen Kriegsgefangenen. Siehe : „Aus-
trian Prisoners Harmed – Confinement With Germans Here Viewed as Against Geneva Convention“.
In : New York Times , 20. Juli , 1944 , 18.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741