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2. „Education for Victory“
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“Austria is reminded , however , that she has a responsibility which she cannot evade for partici-
pation in the war on the side of Hitlerite Germany , and that in the final settlement account
will inevitably be taken of her own contribution to her liberation.”1033
Ohne jedes ernstzunehmende Präjudiz hinsichtlich der weiteren politischen Zukunft Öster-
reichs intendierte die Moskauer Deklaration aus westalliierter Sicht primär die Schwächung
Deutschlands und sollte quasi als einer der letzten Sargnägel für das NS-Regime fungie-
ren.1034 Tatsächlich entfaltete die Deklaration , die in der NS-Presse auf österreichischem Bo-
den als Angriff propagandistisch ausgeschlachtet wurde
– die Alliierten wurden beschuldigt ,
ein hilflos-schwaches und harmloses Österreich errichten zu wollen1035 –, bis Kriegsende
aber relativ wenig Wirkung auf die österreichischen Bevölkerung. Sowenig die national-
sozialistische Kontrolle und der Terror nachließen , sowenig wurden durch die Österreich-
Erklärung die erhofften Widerstandsaktivitäten in den „Donau- und Alpengauen“ ausgelöst.
Einen spannenden Einblick in die damalige Situation unmittelbar nach Veröffentlichung
der Moskauer Deklaration gibt eine im April 1944 verfasste politische Analyse der Re-
search & Analysis Branch des OSS zu „The Attitude of the Austrian People towards the
Moscow Declaration on Austria“,1036 in die unter anderem auch eine Auswertung der Zei-
tungsberichterstattung in den österreichischen „Gauen“ einfloss. Ähnlich wie das dann auch
die Experten des britischen Foreign Office sahen ,1037 konstatierte die OSS-Analyse , dass
die Moskauer Deklaration in Österreich auf keinen fruchtbaren Boden gefallen sei und kei-
ne nennenswerten Auswirkungen habe
– weder auf die breite Masse der Bevölkerung noch
auf den als „still fairly insignificant“1038 beschriebenen Widerstand.1039 Darüber hinaus sei
auch „the history of the many Austrian Committees already in existence in exile [ … ] not
1033 Zit. nach : Stourzh , Geschichte des Staatsvertrages 1945–1955 , a. a. O., 214.
1034 Keyserlingk , Austria in World War II , a. a. O., 159.
1035 So z. B. in der Deutschen Allgemeinen Zeitung , 5. November 1943 , oder in der Grazer Tagespost , 5. No-
vember 1943. Siehe : The Attitude of the Austrian People Towards the Moscow „Declaration on Austria“.
Office of Strategic Services. Research and Analysis Branch , R & B No. 1704. Secret. 14. April 1944. A
Guide to O. S. S. / State Department Intelligence and Research Reports. Germany and its Occupied Ter-
ritories during World War II. Part 4 [ A Microfilm Project of University Publications of America , Inc. ] ,
Washington D.C. 1977. Bestand Institut für Zeitgeschichte , Universität Wien ( Bibliothek ), Rolle 1
[ 14–15 ] , 27.
1036 The Attitude of the Austrian People Towards the Moscow „Declaration on Austria“. Office of Strategic
Services. Research and Analysis Branch , R & B No. 1704 , a. a. O., 27.
1037 Vgl. Bischof , Anglo-amerikanische Planungen und Überlegungen der österreichischen Emigration ,
a. a. O., 34.
1038 The Attitude of the Austrian People Towards the Moscow „Declaration on Austria“. Office of Strategic
Services. Research and Analysis Branch , R & B No. 1704 , a. a. O., 29.
1039 Vgl. dazu allgemein : Thomas Koch , Der amerikanische Geheimdienst OSS und die Widerstandsbewe-
gungen. – In : Geheimdienste und Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg. Hrsg. v. Gerhard
Schulz , Göttingen 1982.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741