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Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planungder US-Militärstäbe 1943 / 44–1945
encouraging.“1040 Zwar würden die Österreicher zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Nazis
gerne los sein – „today the prevalent sentiment in Austria is one of resentment against the
Germans , and hatred of the Nazis“1041
–, und der Erfolg des Nationalsozialismus in Öster-
reich primär Resultat der bewaffneten Okkupation und nicht von der Bevölkerungsmehr-
heit gewünscht gewesen sein , aber ein unmittelbar erfolgter begeisterter Umschwung nach
dem Einmarsch wäre ebenfalls nicht zu leugnen : „[ … ] it cannot be denied that at the time
of the Anschluss the Nazis could claim the support of a considerable part of the people.“1042
Der OSS-Bericht führte in diesem Zusammenhang weiter aus :
“It may be that the Austrians were even less enthusiastic about Hitler’s war in 1939 than were the
Germans. It cannot however be doubted that , with the exception of a minority of avowed op-
ponents of Hitlerism , they rode high on the wave of enthusiasm which followed the early conquests
of the Reich. Austrian not only participated as soldiers in the Nazi conquest but they were given
their share of the spoils , and formed part of the officialdom ruling the occupation territories ,
notably in the Balkans , Poland , and Holland.”1043 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Besonders eigenartig schien den OSS-Analysten , die um den traditionell schwach ausge-
prägten österreichischen ‚Nationalismus‘ wussten , dass selbst die Moskauer Deklaration „did
nothing to promote her self-respect“.1044 Die aktuelle Stimmungslage in der Bevölkerung ,
die eine Separation von Deutschland befürworte , sei keinesfalls Ausdruck des Wunsches
nach staatlicher Unabhängigkeit , sondern lediglich eine pragmatische Reaktion „to escape
a bad situation“. In seiner durchaus zutreffenden Analyse berührte der US-Geheimdienst
auch sozialpsychologisch interessante Aspekte dessen , was der österreichische Psychiater
Erwin Ringel später unter dem Terminus „österreichische Seele“ zusammenfasste , und 1944
wohl den österreichischen ‚Untertanengeist‘ betraf : „A virile national proud of its indepen-
dence does not , whatever the cost , knuckle under completely as the Austrians have done.“1045
Die einzig emotionale Reaktion , die die Deklaration innerhalb der österreichischen
politischen Emigration in den USA ausgelöst habe , sei ein Abwehrreflex gegenüber der
Verantwortungs-Klausel gewesen , die immerhin eine gewisse moralische Mitschuld der
Österreicher am Krieg zum Ausdruck gebracht habe.
Interessant an dem zitierten Bericht ist außerdem , dass in die Analyse eine „Prisoners
of War Interrogation“ des OSS unter österreichischen Kriegsgefangenen ( POW’s ) mitein-
floss
– diese hatten in Bezug auf die Moskauer Deklaration höchst kuriose Antworten parat.
1040 The Attitude of the Austrian People Towards the Moscow „Declaration on Austria“. Office of Strategic
Services. Research and Analysis Branch , R & B No. 1704 , a. a. O., Einleitung , v.
1041 Ebd., 19.
1042 Ebd., 12.
1043 Ebd., 17.
1044 Ebd., 3.
1045 Ebd.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741