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2. „Education for Victory“
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hervorgeht , existierte zu diesem Zeitpunkt noch keine gesonderte Education Division :
mit diesen Aufgaben war nur Major Featherstone , welcher der „Internal Affairs Division “
zugeteilt war , betraut.1088
Gegen Ende Februar 1945 übersiedelte die Einheit dann als „USGCC / A Advance
Headquarter“ nach Caserta , womit das „United States Group Control Council Austria“
als Stabstelle formal dem „US-Mediterranean Theatre Command“ unterstellt wurde.1089
Durch unvorhergesehene Veränderungen im Kriegsverlauf war schließlich aber nicht die 5.
beziehungsweise 15. US-Armee ( MTOUSA ) von Süden aus , sondern die schneller auf ös-
terreichischen Boden von Norden einrückende 12. US-Armee ( ETOUSA ) verantwortlich
für die initiale Militärbesatzung Österreichs – freilich ohne jede bis dahin ausgearbeitete
Planungsunterlage.1090
Die einzige Handlungsdirektive für die politische Behandlung Österreichs seit der
Moskauer Deklaration war bis zu diesem Zeitpunkt ein von Washington aus am 1. Februar
1945 an die Österreich-Gruppe MTOUSA zugesandter Entwurf , der eine harsche Vorge-
hensweise empfahl : „The language of this directive indicated extremely severe treatment
of Nazis [ … ]“.1091
Tatsächlich hatte das im Dezember 1944 geschaffene State-War-Coordinating-Com-
mittee ( SWNCC ) als integriertes militärisch-ziviles Sicherheitsgremium viele der von der
USGCC / A kommenden Planungsunterlagen verworfen , worin sich , wie Kurt Tweraser
anmerkt , „ein Interessenkonflikt zwischen militärischen und zivilen Instanzen über die
Formulierung der amerikanischen Europapolitik“1092 abzeichnete ; ein Konflikt , der vor-
erst – im Jänner 1945 war Archibald MacLeish mit der verantwortlichen Leitung für kul-
turellen und bildungspolitischen Angelegenheiten im „Office of European Affairs“ des
State Department betraut worden1093
– aber eindeutig von den auf effiziente , unpolitische
Verwaltung hin orientierten Militärs für sich entschieden wurde.
Nachdem das „German News Service“ der BBC einzelne für die Besatzung in Deutsch-
land vorgesehene Militär-Direktiven veröffentlichte , wurde erste Kritik an den harten und
zugleich wenig ideenreichen US-Reeducation-Konzepten laut. So kritisierte der Economist
im Jänner 1945 : „Education cannot be achieved on the basis of negations [ … ] the content
for the re-education of a new German youth is simply lacking“;1094 eine Warnung , die vom
State Department sofort registriert wurde.1095
1088 Ebd.
1089 History of the United States Element , Allied Commission Austria , a. a. O., 52.
1090 Ebd., 65.
1091 Ebd., 59.
1092 Tweraser , US-Militärregierung Oberösterreich , a. a. O., 24.
1093 Vgl. Tent , Mission on the Rhine , a. a. O., 69.
1094 Reeducation in Germany. In : The Economist , Vol. CXLVIII , No. 5289 , 6. Jänner 1945 , 9.
1095 Vgl. Richard A. Johnson , Third Secretary of the US-Embassy , London , to The Honorable Secretary
of State Washington D.C., 12. Jänner 1945. The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741