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3. Beginn der US-Reorientierung nach
1945270
14-tägiger Reports der Education Branch begonnen , die an alle militärischen Detachments
in der US-Besatzungszone zur Information verteilt wurden.1167
Untergebracht war die Leitung der Education Branch beziehungsweise der späteren
Education Division am Otto-Wagner-Platz 3 , im Nationalbankgebäude im 9. Wiener Ge-
meindebezirk. Bis Ende der Besatzungszeit verfügte die Education Division über einen
zahlenmäßig vergleichsweise geringen Personalstand , der zwischen acht und 14 haupt-
amtlichen Mitarbeitern schwankte , was aber nur bedingt Auskunft über deren potenzielle
Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt : die US-Educational Officers standen
mit allen anderen USACA-Divisionen , den jeweiligen USFA-Area-Commands und dem
OSS / CIC in enger Verbindung und berieten ab Oktober 1945 in Form des US-„Education
Committees“ innerhalb des „Quadripartite Committee on Educational Affairs“1168 des
Alliierten Rates für Österreich , gemeinsam mit den russischen , französischen und briti-
schen ACA-Vertretern alle Angelegenheiten des Wiederaufbaues des Bildungs- und Er-
ziehungswesens.1169 Nach dem Inkrafttreten des Zweiten Alliierten Kontrollabkommens
vom 28. Juni 1946 , das die österreichische Regierung unter anderem zur Schaffung eines
„progressiven“ Erziehungssystems verpflichtete , um „sowohl alle Spuren der NS-Ideologie
zu tilgen als auch die österreichische Jugend mit demokratischen Prinzipien zu erfüllen“,1170
wurde das Gremium des Alliierten Kontrollrats in „Education Directorate“ umbenannt.1171
Mit Beginn der Planungen für einen eigenen Schüler-Rundfunk im November 1945
wurde das Team der Education Division noch um Hardy M. Ray ,1172 einem früheren Mit-
arbeiter des Office of War Information , erweitert , der als US-Vertreter im „Quadripartite
Committee on Educational Affairs“ an der diesbezüglichen Konzepterstellung mitwirkte.
1167 Ebd.
1168 Die Arbeit auf Ebene dieses höchsten alliierten Gremiums in Bildungs- und Erziehungsfragen lief je-
doch von Anbeginn an schleppend , weil Berichte nicht oder verspätet einlangten und die jeweiligen Be-
satzungselemente hier zumeist nur wenig strittige , d. h. im wesentlichen bereits weitgehend akkordierte
Fragen behandelten. Vgl. NARA II , RG 260 , Box 31 / Folder 253 , USACA Historical File , United
States Allied Commission for Austria History. Part II , V-E Day to End 1945 , 267 ff.
1169 Vgl. Alfred Hiller , US-amerikanische Schulpolitik in Österreich 1945–1950. In : Österreich in Ge-
schichte und Literatur. Hrsg. v. Institut für Österreichkunde , 24. Jg., 1980 , Heft 2 , 66 ; vgl. weiters : Hel-
mut Engelbrecht , Die Eingriffe der Alliierten in das österreichische Schul- und Erziehungswesen nach
1945. In : Heinemann ( Hrsg. ), Umerziehung und Wiederaufbau , a. a. O., 288.
1170 Hiller , US-amerikanische Schulpolitik in Österreich 1945–1950 , a. a. O., 66.
1171 NARA II , RG 260 , Box 31 , Folder 253. USACA Historical File , United States Allied Commission for
Austria History. Part II , V-E Day to End 1945 , 274.
1172 Hardy M. Ray , Absolvent der North Carolina State University , hatte in der US-Navy bereits am Ersten
Weltkrieg teilgenommen. Ab 1942 arbeitete Hardy für das im selben Jahr gegründete War Production
Board in Washington D.C. Siehe : Hardy M. Ray , The War and War Production Now. An American
Perspective. In : Industrial Canada , hrsg. v. Canadian Maufacturer’s Association , Vol. 43 , 1942 , Nr. 1–6 ,
102. Im Mai 1952 scheint Hardy M. Ray dann als Mitarbeiter der „Education and Inquiry Branch“ des
US-Department of Commerce auf. Siehe : Official register of the United States 1952. Unites States Civil
Service Commission , Washington D.C. 1952 , 446.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741