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4. „The democratic way of life in Austria“
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Einmal abgesehen von allen sicherheitspolitischen , wirtschaftlichen , verkehrstechni-
schen und sozialen Problemen sowie der verwaltungstechnischen Herausforderungen in
der administrativen Trennung Österreichs von Deutschland – „disentangling of Austria
from Germany“1206 –, sah man aber in der politischen „Säuberung“ eine der vorrangigen
Aufgaben und zugleich eine der größten Herausforderungen , mit denen die Militärregie-
rung in Österreich konfrontiert war.
In dem bereits zitierten , vertraulichen Lagebericht des US-Militärgeheimdienstes „Of-
fice of Strategic Services“ ( OSS ) vom Juni 1945 wurde mit Bezug auf die amerikanische
Besatzungszone in Salzburg bezüglich der Entnazifizierung allgemein festgehalten : „The
work of de-Nazification is generally regarded as the most pressing political task confron-
ting the American authorities , the emerging parties , and the newly created Austrian admi-
nistration in Land Salzburg.“1207 [ Hervorhebung i. Orig. ]
Abgesehen von dem im Vergleich zu anderen österreichischen Regionen besonders ho-
hen Anteil an NSDAP-Mitgliedern und ranghohen NS-Funktionären im Raum Salz-
burg ,1208 traf die hier formulierte Einschätzung auch auf alle anderen Besatzungszonen
zu ; das geht auch aus dem „Military Handbook for Austria“ deutlich hervor , in dem sich
bereits vage die künftige US-Besatzungspolitik der Reorientierung andeutet :
“Two of the most essential purposes of military government will be to root out Nazism and pan-
Germanism from the Austrian system [ … ] but pan-Germanism is a state of mind rather than
an organization and the only way to eradicate it is by enabling the Austrian people to experience
the benefits , political , social and economic , of independence from Germany.”1209 [ Hervorhebung
d. Verf. ]
Untermauert wurde diese demokratiepolitische Langzeit-Perspektive eines kulturell und
wirtschaftlich-ökonomisch entsprechend unterstützten „Säuberungsprozesses“ unter ande-
rem mit Hinweis auf das bisher kaum ausgeprägte österreichische Nationalbewusstein : „The
Austrian is , however , lacking in any very profound sentiment of national consciousness and
his relief at the removal of Nazi domination will very quickly fade if it is not followed by a vi-
sible improvement in his conditions of life.“1210 Dass die Entnazifizierung in Österreich aber
generell wie insbesondere im Hinblick auf das Bildungssystem und auf den Kulturbereich
–
„the Nazi Party has established the same internal and external controls which it exercised in
1206 NARA II , RG 260 , USGCC 1944–1945 , Box 4 / Folder 3. Germany and Austria in the Post-Surrender
Period. Policy Directives for the Allied Commanders-In-Chief. Amendments and Additions , War Office
( A. C. S. ), July 1945 , 2.
1207 Rathkolb ( Hrsg. ), Gesellschaft und Politik am Beginn der Zweiten Republik , a. a. O., 258.
1208 Ebd., 259.
1209 Allied Forces Headquarters. Office of the Chief of Staff. Handbook for Military Government in Austria ,
( W. D. Morgan ), April 1945 ( Institut für Geschichte der Univ. Wien ), Chapter 1 , 6.
1210 Ebd., 4.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741