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4. „The democratic way of life in Austria“
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und hatte daher eine entsprechende Kenntnis der österreichischen Universitätslandschaft
jener Jahre.1233
Heydte ,1234 der hinsichtlich der allgemeinen Situation der akademischen Nachkriegs-
jugend meinte , dass diese aktuell zwar keineswegs zur Gänze „Nazi-minded“ sei , da das
NS-Regime die Jugend nicht in „positiver Weise“ zu gewinnen vermochte – „nowhere is
there so much criticism and rejection of National Socialism among the younger generation ,
especially among the educated ones. Youth as a rule desires and hates compulsion. Youth
wants change ; it is revolutionary by nature“ –, sah jedoch auch einen zugleich nachhaltig
negativen Einfluß der NS-Ideologie auf die studentische Jugend :
“National Socialism [ … ] uprooted youth , took away its veneration for the eternal moral values
which are above ‘blood and soil’ , and then loosened or severed all ties with religion and ethics.
As a result , an exaggerated cynism , which will be frightening to foreigners , has spread among
the academic youth of Germany. The young student , brought up in his boyhood as a National
Socialist , tends to develop into a nihilist when National Socialism has proved disappointing
and he has nothing to put in its place.”1235
Hinsichtlich der auf sekundarer Schulstufe vermittelten grundlegenden Kenntnisse für
alle nachfolgenden Studien und Ausbildungsgänge hätte , laut Heydte sowie anderer be-
fragter POW’s , in den Kriegsjahren ein dramatisches Absinken sowohl des allgemeinen
Bildungsniveaus als auch insbesondere der Kenntnisse in den naturwissenschaftlich-ma-
thematischen Fächern stattgefunden , was sich in Studienrichtungen wie Maschinenbau ,
Elektrotechnik , Physik , Chemie oder Mathematik deutlich niedergeschlagen habe.1236
Vanessa Conze , Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition
und Westorientierung ( 1920–1970 ), München 2005 , 64 f.
1233 Fälschlicherweise führt das britische Geheim-Dossier an , Heydte wäre Assistent bei Carl Schmitt ge-
wesen. NARA II , RG 260 , OMGUS ECR , Box 28. PW Paper 99 , CSDIC ( UK ), „German Universities
under National-Socialism“, [ 28. Mai 1945 ] , ii.
1234 Nach dem Frankreichfeldzug trat Heydte zur Luftwaffe über und war zunächst Kompaniechef , ab 1944
Bataillonskommandeur der Fallschirmjäger auf Kreta. Nach dem Einsatz an der Ostfront 1942–43 wurde
er Major und als solcher in der Normandie Kommandeur des Fallschirmjägerregiments 6. Im Dezember
1944 geriet er in den Ardennen in US-Kriegsgefangenschaft und wurde im Februar 1945 in das britische
Kriegsgefangenenlager Trent Park bei London überstellt. Nach 1945 wurde der Ritterkeuzträger Heydte
u. a. Abgeordneter der CSU im Bayerischen Landtag und darüber hinaus Ordinarius für Staats- und Völ-
kerrecht an den Universitäten Mainz und Würzburg. 1962 löst Heydte die „Spiegel-Affäre“ aus. Conze ,
Das Europa der Deutschen., a. a. O., 66 ; siehe weiters : Der Spiegel , 47 , 1962.
1235 NARA II , RG 260 , OMGUS ECR , Box 28. PW Paper 99 , CSDIC ( UK ), „German Universities under
National-Socialism“, [ 28. Mai 1945 ] , 5.
1236 Heydte berichtete darüber hinaus , dass unter NS-Offiziersanwärtern grobe Bildungslücken existierten :
„Heydte states that out of the 120 officer candidates he had to examine at the beginning of November 1944 ,
half could not spell correctly , a third did not know the capital of SPAIN , and the majority did not know in
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741