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4. „The democratic way of life in Austria“
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Aber auch in Wien artikulierte sich vereinzelt Widerwille , die vorgeschriebenen ‚Säu-
berungsmaßnahmen‘ durchzuführen , wie sich anhand der Technischen Universität ver-
deutlicht , die mit der Sonderkommission des Bundeskanzleramtes in Konflikt geriet ; dies ,
obwohl TU-Prorektor Rektor Adalbert Duschek1433 tendenziell eine eher klare Entnazi-
fizierungslinie vertrat.1434 Den Anfang nahm ein kleiner Artikel in der bereits genannten
Wochenzeitung Wiener Montag. Studenten der Technischen Universität Wien hätten sich ,
so der Zeitungsbericht , an das Medium gewandt , das bisher als einziges den Mut gehabt
habe , die „krasse[ n ] Übelstände“ an den Hochschulen zu kritisieren. Die TU-Studenten
wandten sich an die Zeitung , da auch an der TU , trotz monatelanger Tätigkeit der Son-
derkommissionen , sonderbare Vorgänge im Lehrkörper zu beobachten wären :
„Die meisten der suspendierten Herren sind unter Hinweis auf deren angebliche Unersetzbar-
keit wieder nach einem längeren Aufenthalt im Salzkammergut zurückgekehrt und nehmen
ihre Lehrtätigkeit wieder auf.“1435
Kenda für die Schulen nominiert wurde. ÖSTA / AdR , Bestand 02 , BMfU , 2C1 – Disziplinarkammern ,
Sonderkommissionen , 1945–1958 , Ktn. 378 , Zl. 13859-III–7 / 46 , Behandlung der ordentlichen und
außerordentlichen Universitätsprofessoren …“, 9. Mai 1946.
1433 Adalbert Duschek ( 1895–1957 ), Mathematiker , Dozent an der Technischen Universität ( TU ) Wien
bis 1936 , a.o. Professor an der TU bis 1938 ; da seine Ehefrau von den „NS-Rassegesetzen“ betroffen
war , wurde er nach dem „Anschluss“ als Professor in den Ruhestand versetzt , arbeitete jedoch in den
Jahren 1940–1945 als wissenschaftlicher Konsulent der ELIN AG. Nach seiner Rückkehr nach Öster-
reich erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Professor an der TU Wien. 1945 / 46 war Duschek , der
auch SPÖ-Abgeordneter des Bundesrates war 19. 12. 1945–7. 6. 1957 , Rektor der TU. Vgl. Juliane Mi-
koletzky , „Von jeher ein Hirt starker nationaler Gesinnung“. Die Technische Hochschule in Wien und
der Nationalsozialismus , Wien 2003 , 4. Siehe auch : http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/projekte/
diskussion_45–49.php [ Zugriff 1. 6. 2012 ] ; weiters : SPÖ Vetrauensmann. Hrsg. v. Parteivorstand der
Sozialistischen Partei Österreichs , Bd. 12 , Wien 1957 , 191.
1434 So stellte sich Duschek etwa trotz positiven Bescheides ( ! ) der Sonderkommission gegen die Wiederin-
dienststellung von Josef Krames ( 1897–1986 ), der nach seiner Professor an der TU Graz ( 1932–1939 )
seit 1. 10. 1939 die II. Lehrkanzel für Darstellende Geometrie an der TU Wien innehatte
– laut Duschek
ein „prononcierter Nationalsozialist“ und „Inhaber der Ostmarkmedaille“. Dessen ungeachtet kehrte
Krames aber bereits 1957 als ordentlicher Professor an die TU zurück und wurde 1961 schließlich Rek-
tor ; darüber hinaus kehrte auch der letzte Rektor der NS-Zeit , Heinrich Sequenz , nach zwischenzeit-
licher Außerdienstsstellung bereits 1954 als ordentlicher Professor an die TU zurück. Vgl. dazu : Sarah
Reisenbauer , Die Entnazifizierung des Lehrpersonals der Technischen Hochschule in Wien. In : Ös-
terreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert. Austrofaschismus , Nationalsozialismus und die Folgen.
Hrsg. v. der Österreichischen Hochschülerschaft , Wien 2013 , 366 bzw. 371 ; siehe auch den lexikalischen
Eintrag in : Felix Czeike ( Hrsg. ), Historisches Lexikon Wien ( in 5 Bänden ). Band 3 : Ha–La , Wien
1994 , 590.
1435 Und die Technik ? Sonderbares Wirken der Sonderkommission – Naziprofessoren kehren zurück. In : Wie-
ner Montag , 7. Jänner 1946 , 4.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741