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4. „The democratic way of life in Austria“
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sowohl der „Deutschen Gemeinschaft“ als auch der streng antisemitischen Professorencli-
que der „Bärenhöhle“1446 – versucht wird , schwer belastete Kunsthistoriker1447 zurückzu-
berufen , und nun auch die Wiener Universität droht , „zum Schlupfwinkel für Naziprofes-
soren“ zu werden , „wie es die medizinische Fakultät [ … ] schon ist“.1448
Kurz darauf ging die Zeitung – vor dem Hintergrund der Engerau-Prozesse1449 – mit
der Universität noch härter ins Gericht. „Untersuchungs- oder Rechtfertigungskommissi-
nach dem Ausscheiden seines Lehrers Junker – ein deklarierter Anhänger des Nationalsozialismus und
NSDAP-Mitglied –, als ordentlicher Professor für Ägyptologie und Afrikanistik nach. Czermak lei-
tete das Institut auch während der NS-Zeit. Siehe dazu u. a. : Alois Pumhösel , Ägyptologe , Antisemit ,
weit mehr als ein Mitläufer ( Hermann Junker ). In : der Standard , 19. Februar 2013 , download unter :
http://derstandard.at/1361240485214/Aegyptologe-Antisemit-weit-mehr-als-ein-Mitlaeufer [ Zugriff
10. 5. 2013 ] ; weiters : Christina Köstner-Pemsel / Markus Stumpf , „Machen Sie es ordentlich , damit man
nachher , wenn wir die Bücher ihren Besitzern zurückgeben , nicht sagt , es hätten Schweine in der Hand
gehabt.“ In : Mitteilungen der VÖB , 65 , 2012 , Nr. 1 , Anm. 9 , 69 ; zu biografischen Hinweisen betreffend
Wilhelm Czermak , die allerdings die Zeit des Nationalsozialismus zur Gänze aussparen , siehe : Erich
Sommerauer , Wilhelm Czermak – Afrikanistik , Ägyptologe , 20010. Download unter http://www.afri-
kanistik.at/pdf/personen/czermak_wilhelm.pdf [ Zugriff 10. 5. 2013 ] sowie : Wolfdieter Bihl , Orientali-
stik an der Universität Wien. Forschungen zwischen Maghreb und Ost- und Südasien. Die Professoren
und Dozenten , Wien – Köln – Weimar 2009 , 103 f.
1446 Vgl. dazu die kurzen Ausführungen in Anm. 1262.
1447 Dabei handelte es sich um Hans Sedlmayr ( 1896–1984 ) und Karl Oettinger ( 1906–1979 ). Auf der
Homepage des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Erlangen wird mit keinem Wort auf Oe-
ttingers NS-Vergangenheit hingewiesen – siehe : http://www.kunstgeschichte.uni-erlangen.de/institut/
geschichte.shtml. In dem Nachruf auf Karl Oettinger von Walter J. Hofmann wird auf die NS-Zeit
ebenso wenig Bezug genommen. Vgl. Zeitschrift für Kunstgeschichte , 43. Bd., 1980 , H. 2 , 222–224. Vgl.
zur Sedlmayr und Oettinger auch : Sebastian Meissl , Der „Fall Nadler“ 1945–1950. In : Meissl ( Hrsg. ),
Verdrängte Schuld – verfehlte Sühne , a. a. O., 282. 1961 erhielt Sedlmayr schließlich – u. a. durch mas-
sive Unterstützung von Unterrichtsminister Heinrich Drimmel , der 1934–1937 als „Sachwalter der
Hochschülerschaft Wiens“ ( bzw. ab 1935 für ganz Österreich ) sowie als Schulungsreferent der Vater-
ländischen Front eine „gewisse Toleranz“ ( Gerhard Wagner ) gegenüber den „Nationalen“ bzw. National-
sozialisten an den Tag gelegt hatte , eine Professur an der Kunstgeschichte in Wien. Vgl. Hans H. Au-
renhammer , Das Wiener Kunsthistorische Institut nach 1945. In : Grandner / Heiß / Rathkolb ( Hrsg. ),
Zukunft mit Altlasten , a. a. O., 186 f. ; vgl. Wagner , Von der Hochschülerschaft Österreichs zur Österrei-
chischen Hochschülerschaft , a. a. O., 119 ff.
1448 Rückkehr von Naziprofessoren an der Wiener Universität ? In : Wiener Montag , 3. November , 4. In einer
weiteren Ausgabe wurde die Situation an der medizinischen Fakultät dann ein wenige näher präzisiert.
Neben dem Histologen Patzelt ( siehe auch Kapitel 4 , S. 353 , Anm. 1395 ) wurden dabei folgende Na-
men aufgezählt : der Histologe Wessely ( NSDAP-Mitglied ), die „Illegalen“ Dozenten Käuffler an der
Frauenklinik , Karl Chiari an der Ersten Chirurgisch-orthopädischen Klinik , Paul Morio von der II.
Chirurgischen Klinik , sowie Herbert Kraus von der I. Chirurgischen Klinik. Vgl. Naziprofessoren an der
medizinischen Fakultät. In : Wiener Montag , 21. Jänner 1946 , 4.
1449 Vgl. Claudia Kuretsidis-Haider , „Das Volk sitzt zu Gericht“. Österreichische Justiz und NS-Verbrechen
am Beispiel der Engerau-Prozesse 1945–1954 (= Österreichische Justizgeschichte , Bd. 2 ), Innsbruck
2006.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741