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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
onen“ würden Belastete wie zum Beispiel die Germanistikprofessoren Dietrich Kralik1450
oder Hans Rupprich „durchschleusen“, und Richard Meister und Wilhelm Czermak be-
tätigten sich dabei als „Protektoren der Naziprofessoren“. Insbesondere sei Meister für die
„Streichung des Professors Sedlmayer [ sic ] von der Liste der registrierten Pgs.“1451 einge-
treten. In einem weiteren Artikel , der mittlerweile von der Universität zugespieltes Materi-
al miteinbeziehen konnte , wurde die philosophische Fakultät sowie die bereits Genannten
beschuldigt , jeden „Besetzungsvorschlag für nazigegnerische Professoren“ zu „sabotieren“
und vor allem „nazistischen Herren“ auf die Lehrkanzeln zu verhelfen.1452
Vor allem an der philosophischen Fakultät , so der Bericht des Wiener Montag , würden
mittlerweile „unhaltbare Zustände herrschen“, da durch die Bestellungspraxis , die zahlrei-
che ehemalige NS-Professoren rehabilitiert habe ,1453 eine „schwere Bedrohung der Ent-
wicklung des Kulturlebens und unseres wissenschaftlichen Nachwuchses“ gegeben sei. Be-
dauerlich sei dabei insbesondere die „schwache Haltung der Unterrichtsverwaltung , die
sich nicht zu einem energischen Einschreiten entschließen kann. Hier ist es vor allem der
in Hochschulangelegenheiten führende Unterstaatssekretär Dr. Lugmayer [ sic ] , der für
die Dinge verantwortlich ist und der , obwohl ihm Material gegen die Naziprofessoren
übergeben wurde , diese Material versperrt hält , ohne es der nunmehr tagenden Rechtfer-
tigungskommission vorzulegen.“1454
Rektor Adamovich sah sich daraufhin zu einer Sachverhaltsdarstellung gegenüber
den Vertretern des Erziehungsdirektorates im Alliierten Rat , Oberst Featherstone , Mr.
Woodcook , Major L. Ruche und Prof. Ivan V. Ustinow , veranlasst. In einem Schreiben
wehrte er sich gegen die wiederholten „Schmähartikel“, in denen die Behauptung aufge-
stellt wurde , dass „die Professoren der Wiener Universität in Wahrheit versteckte Nazi
seien und alles tun , um die Reinigung des Lehrkörpers von Nazielementen hintanzu-
halten.“ Insbesondere sah sich Adamovich veranlasst , Prorektor Richard Meister sowie
1450 Zur Rolle Dietrich Kraliks in der NS-Zeit siehe : Irene Ranzmaier , Germanistik – Kontituitätsstiftende
Ansätze der Wissenschaft. In : Mitchell G. Ash / Wolfram Nieß / Roman Pils ( Hrsg. ), Geisteswissen-
schaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität Wien , Göttingen 2010 , 430 ff.
1451 Protektoren der Naziprofessoren. In : Wiener Montag , 3. Dezember , 4.
1452 Die Wiener Universität , Keimzelle des Nationalsozialismus. In : Ebd., 3. November , 3.
1453 Der Wiener Montag führte dabei auch gleich eine ganze Reihe von Professorennamen an , wie beispiels-
weise den Historiker ( Otto ) Brunner , den Mathematiker ( Anton ) Huber , den Physiker Höfler , die
Philologen ( Johannes ) Mewaldt und ( Rudolf ) Egger , die ( Paläo )biologen Othenio Abel – „Nazi“-Rek-
tor 1932 / 33 an der Universität Wien und Gründer der antisemetischen Professorenclique der „Bä-
renhöhle“ – und ( Kurt ) Ehrenberg , Schwiegersohn Othenio Abels ; weiters folgende Dozentennamen :
die Psychologin ( Sylvia ) Klimpfinger , den Musikwissenschafter ( Robert ) Haas , den Zoologen ( Ludwig
von ) Bertalanffy , den Mineralogen ( Franz ) Raaz , die Chemiker ( Anton von ) Wacek und ( Otto ) Hro-
matka , die Physiker Schintlmeyer und Herzog. Vgl. ebd. ; zu Abel siehe : Taschwer , Die Bärenhöhle
und ihr langer Schatten , a. a. O., 4 ; zu Kurt Ehrenberg siehe : Nachruf Kurt Ehrenberg ( 22. 11. 1896–
6. 10. 1979 ). In : Mitteilungen der Österreichischen Geologischen Gesellschaft , 72. Jg., 1980 , 255–260.
1454 Ebd.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741