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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
in den USA , die Verbindung mit dem „Entr’aide Autrichienne“ in Paris hielt.1617 Die
Programmatik des „Austro-American Center“, in dem unter anderen Irene Harand ,1618
der Ethnologe Robert Heine-Geldern1619 oder Winters Kollege an der New School , der
Politikwissenschafter und Jurist Erich Hula ,1620 mitarbeiteten , bestand , laut Aussage
1617 U. S. Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. INT–4AU–308 , „Fo-
reign Politics in the United States : The Austrians“. Foreign Nationalities Branch. Office of the Coordi-
nator of Information , August 1942 , 26.
1618 Irene Harand ( 1900–1975 ), Autorin , Zeitungsherausgeberin , überzeugte Katholikin und aktive Vor-
kämpferin gegen Armut , Antisemitismus / Rassismus und Nationalsozialismus ; gemeinsam mit dem jü-
dischen Anwalt Moritz Zalman gründete sie die „Weltbewegung gegen Rassenhass und Menschennot“
( „Harand-Bewegung“ ), die in der Zeit des Austrofaschismus in der „Vaterländischen Front“ aufging.
Die Biografie Harands sperrt sich in höchst eigentümlicher Weise gegen die bekannten Narrative über
Widerstandskämpferinnen : sie war Anhängerin des „Ständestaats“ und darüber hinaus monarchistisch
gesinnt. Siehe : Christian Klösch ( Hrsg. ), Gegen Rassenhass und Menschennot. Irene Harand , Leben
und Wirken einer ungewöhnlichen Widerstandskämpferin , Innsbruck 2004. U. S. Office of Strategic
Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. INT–4AU–114. Coordinator of Information.
Office Memomrandum , A. Heckscher to Mr. Wiley , 18 May 1942 , Informationsbericht Papaneks , 12.
1619 Der Ethnologe , Archäologe und Südostasienexperte Robert Heine-Geldern ( 1885–1968 ), Großneffe von
Heinrich Heine , erhielt 1931 eine Professur an der Universität Wien und war seit 1922 auch an Wiener
Volkshochschulen als Kursleiter und Vortragender überaus aktiv. Für seine Verdienste war ihm von Kaiser
Franz Joseph I. der Titel „Baron und Freiherr von“ verliehen worden. Als jüdischer Flüchtling kam er nach
New York , wo er zunächst am Naturkundemuseum arbeitete und am Arthur Upham Institute lehrte. Ge-
meinsam mit Margaret Mead und anderen gründete Heine-Geldern 1941 das „East India Institute of Ame-
rica“. 1950 kehrte er nach Österreich zurück , wo er das Institut für Ethnologie neu aufbaute. Die Angaben
Jan Papaneks , wonach Heine-Geldern , nachdem seine Aspirationen an einer Professur an der Universität
Wien ins Leere gelaufen seien , bereits 1937 durch Unterstützung Schuschniggs in die USA gekommen
sei , treffen offenkundig nur bedingt zu , und gründen womöglich in einem persönlichen Konflikt. Heine-
Geldern schrieb 1942 ein Memorandum mit dem Titel „Austria and the War“. Siehe : U. S. Office of Stra-
tegic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. INT–4AU–114. Coordinator of Information.
Office Memomrandum , A. Heckscher to Mr. Wiley , 18 May 1942 , Informationsbericht Papaneks , 15.
1620 Erich Hula ( 1900–1977 ), Wiener Jurist und Politikwissenschafter und als solcher von 1931–33 Privatas-
sistent Hans Kelsens an dessen Völkerrechtslehrstuhl an der Universität Köln ; nach Kelsens Entlassung
in Köln kehrte Hula nach Wien zurück , wo er in der Arbeiterkammer tätig war. 1938 emigierte er
schließlich in die USA. Bis 1967 lehrte Hula an der New School for Social Research , wo er versuchte , „die
Theoreme Kelsens in die amerikanische Diskussion einzubringen“. Zit. nach : Oliver Rathkolb , Über-
legungen zum Exodus der „Jurisprudenz“. Staatswissenschaftliche Emigration aus dem Österreich der
Zwischenkriegszeit. In : Friedrich Stadler ( Hrsg. ), Vertriebene Vernunft I. Emigration und Exil öster-
reichischer Wissenschaft 1930–1940 , Wien – München 1987 , 286. In einem OSS-Bericht wird Hula
als „Catholic with slight monarchist leanings , considered highly intelligent but an opportunist“ cha-
rakterisiert. Siehe : U. S. Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945.
INT–4AU–710 , DeWitt C. Poole to John G. Erhardt , Department of State , Washington , D.C., 6 Fe-
bruary 1945 , 7. Der Nachlass von Erich Hula befindet sich im Archiv der University of Albany / New
York [ http://library.albany.edu/speccoll/findaids/ger044.htm ]. Vgl. dazu auch die Anm. 19 bei : Jürgen
Busch , Alfred Verdross – Ein Mann des Widerspruchs ? Teil 2. Verdross im Gefüge der Wiener Völker-
rechtswissenschaft vor und nach 1938. In : Thomas Olechowski / Ilse Reiter et al. ( Hrsg. ), Vertriebenes
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741