Seite - 383 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Bild der Seite - 383 -
Text der Seite - 383 -
383
Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
Many Austrians base their hopes on his person , but it seems that he has isolated himself
lately more and more.“1626
Und nur wenig anders und im Kern wohl auch zutreffend beschrieb ihn 1945 ein Ge-
heimdienstdossier als „lone wolf now completely detached from all party affiliations ; very
sincere but entirely impractical“.1627
Es blieb Otto Habsburg vorbehalten , bezüglich der Charakteristik Winters und dessen
politischen Versagens nicht nur seine „erratische Persönlichkeit“ verantwortlich gemacht
zu haben , sondern – und insbesondere – dessen politisch „zunehmende[ n ] Radikalismus“
in Richtung Kommunismus :
“Mr. Winter had more and more communistic ideas , put its [ sic ] hopes to make Austria free
again more and more in communism and tried to give the Austrian Center a more or less com-
munist leadership , headed by a notorious Austrian communist , Mr. Creilsheimer [ sic ]. Al-
though Mr. Winter personally was a very cultivated and learned man , most of the Austrians in
the Austrian Center the greater part of them living in or near New York
– disapproved finally
entirely Mr. Winter’s nearly communist ideas , lost completely confidence in his leadership and
quit the Austrian Center.”1628 [ richtig : Austro-American Center , d. Verf. ]
Dieses ideologische Zerrbild der Person Winters , das Otto Habsburg „strictly confidential“
an amerikanische Geheimdienstsstellen adressierte , wohl um den politischen Gegner
– im
vorliegenden Fall einen dezidierten Anti-Monarchisten – damit zu desavouieren ,1629 ist
insofern erwähnenswert , als dies ein Schlaglicht auf so manch operettenhafte Facetten und
Zerwürfnisse der österreichischen Emigration in den Vereinigten Staaten wirft , die sich ob
der auf amerikanischem Boden besonders seltsam ausnehmenden politischen Restaurati-
1626 U. S. Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. INT–4AU–55 , Memo-
randum. OSS / Foreign Nationalities Branch , 11 December 1941 , 6.
1627 U. S. Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. INT–4AU–710 , De-
Witt C. Poole to John G. Erhardt , Department of State , Washington , D.C., 6 February 1945 , 10.
1628 U. S. Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. INT–4AU–36. Brief
survey of the history of the Austrian organisations in the United States [ handschriftlicher Vermerk : sub-
mitted by Otto Habsburg ] , 14 April 1942 , 1.
1629 Enthüllend ist folgende Passage in dem genannten „Survey“ Habsburgs , die seinen Begriff von „Kommu-
nismus“ konkretisiert : „His [ Winters , d. Verf. ] communist leanings brought a complete disintegration of the
Austrian Center. He then carried on nearly alone and collaborated partly with Czechs partly with Polish
groups. Became again active in Austrian politics in 1941 , when he tried vainly to coordinate all the non mo-
narchist groups in the united republican front. This attempt failed when the leaders of the non monarchist
groups declared him , that their organisations would undoubtedly collapse , if they came out openly with an
republican program.“ [ Hervorhebung d. Verf. ] Ebd., 16. Darüber hinaus wusste Habsburg zu berichten , dass
Winter unmittelbar nach Pearl Harbour allen österreichischen Organisationen per Brief mitgeteilt habe , sich
aus allen Belangen der Politik zurückzuziehen , da er davorstehe , die amerikanische Staatsbürgerschaft zu
erlangen und sich von daher nicht mehr für politische Agenden seines Heimatlandes einsetzen könne. Ebd.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741