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4. „The democratic way of life in Austria“
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zentralen Selbstverwaltungskörper :1834 der Österreichischen Hochschüler
schaft ( ÖH ).1835
Deren Hauptaufgabe bestand in den ersten Monaten allerdings in der Organisation von
Aufräumarbeiten – sogenannte „Schutteinsätze –, in der Versorgung der Mensa sowie in
der Beschaffung und Verteilung von Unter künften , Hilfsspenden und Arbeit. Politische
Meinungs verschiedenheiten wurden in der Anfangsphase wegen dringenden materiellen
Problemen und der Notwendigkeit zur Kooperation hintangestellt.1836 Darüber hinaus
bekannten sich die entstehenden Studenten fraktionen als Folge der historischen Erfah-
rungen im Großen und Ganzen zunächst zu einer unpolitischen , oder besser : politisch
neutralen Hoch schüler schaft.1837
In einer Verordnung vom 27. Septem ber 1945 , betreffend die rechtlichen Grundsätze der
ÖH , wurde festgelegt , dass nicht Studentenvertreter werden kann , wer „der NSDAP oder
einem ihrer Wehrverbände angehört hat , Parteianwärter gewesen ist oder in der national-
sozialistischen Studentenschaft in führender Stellung tätig war.“1838
Da die Inskription bereits Anfang Mai 1945 begonnen hatte ,1839 wurden während des
laufenden Sommersemesters von Staatssekretär Ernst Fischer per Erlass des Bundes-
ministeriums für Unter richt vom 16. August 1945 ( Z.3423 / 45 ) zumindest allgemeine „Richt-
linien“ für die Inskriptions zulassung an den österreichischen Hochschulen erlassen.1840
1834 Vgl. Kurt Schubert , Die Wiedereröffnung der Universität Wien im Mai 1945. Vortrag im Rahmen der
Veranstaltungsreihe „625 Jahre Universität Wien“ am 10. Mai 1990 im Kleinen Festsaal der Universität
Wien (= Wiener Universitätsreden , NF , 1 ), Wien 1991 , 5 ff.
1835 Vorgänger war der „Sechserausschuss“, der sich bald zum „Zehnerausschuss“ ( Österreichisch-Demo-
kratische Studentenschaft ) erweiterte und dann unter Bewilligung von Unterstaatssekretär Karl Lugma-
yer zum eigentlichen Vorgänger der ÖH , dem „Hauptausschuss der Demokratischen Studenten schaft
Wiens“ wurde. Per Verordnung vom 3. Oktober 1945 ( StGbl. Nr. 170 ) des Staats amtes für Unterricht ,
Erziehung , Volksaufklärung und Kultus ange legen heiten wurden die ordentlichen öster reichi schen Hö-
rer und Hörerinnen in ihrer Gesamt heit zur „Hochschüler schaft“ zusammengefasst. Vgl. Christine H.
Forster , Die Geschichte der Öster reichischen Hochschüler schaft 1945–1955 (= Dissertationen der Uni-
versität Wien 166 ), Wien 1984 , 18 bzw. 33.
1836 Ariane Heilingsetzer / Maria Mesner / Heinz Rögl / Fritz Weber , Projektendbericht : Zur Geschichte des
VSSTÖ 1945–1970 , unveröffentlichtes Manuskript , Wien 1989 , 103. Der Autor ist Herrn Heimo Gru-
ber für die Überlassung einer Kopie des Berichts zu Dank verpflichtet.
1837 Ebd., 104.
1838 Auf Basis des Hochschuler mächtigungs gesetzes aus dem Jahr 1935 , StGBl. vom 27. September 1945 , Nr.
170 , §§ 1–37.
1839 Inskriptionen an der Wiener Universität. In : Neues Österreich. Organ der demokratischen Eini gung ,
2. Mai 1945 , 4.
1840 Auszuschließen waren demnach vom Hochschulstudium „Illegale , Angehörige der SS und Funktio-
näre der Partei , beziehungsweise einer ihrer Wehrverbände ( SA , NSKK , NSFK )“, wobei „bei Vorliegen
rück sichtswürdiger Gründe“ auch „Studierende , die in führender Stellung in den nationalsozialistischen
Studenten schaften tätig waren“, zur Inskription zugelassen wurden. Zit. nach : Andreas Huber , Entnazi-
fi zierung und Rückbruch. Studierende 1945–1950. In : Andreas Huber / Katherina Kniefacz , Alexan-
der Krysl / Manès Weisskircher , Universität und Disziplin. Angehörige der Universität Wien und der
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741