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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
pflichtung dem gesamten Volke , den Arbeitern und Bauern und in be sonderem Maße auch
den Alliierten gegenüber , die uns mit schweren Opfern befreiten“, der „absoluten Unpar-
teilichkeit in der Geschäftsführung“ auch die „sofortige Durch führung einer strengen und
endgültigen Entnazifizierung sämtlicher österreichischen Hoch schulen“1846 fest.
Stichproben bei der Lektüre der Protokolle der Überprüfungskommissionen an der
Philosophischen Fakultät zeigen , dass sich in der Überprüfungspraxis allerdings Probleme
auftaten , die nicht nur den fehlenden Unterlagen zu den Inskribierenden
š vorzulegen wa-
ren in der Regel , neben polizeilichen Führungszeugnissen , ausgefüllte Fragebögen sowie
„eidestaatliche Erklärungen
š geschuldete waren.1847 Zum einen war die Kommission
š wie
im Übrigen auch an anderen Fakultäten
š mit der ihr übertragen Arbeit völlig überfordert ,
sodass im Frühjahr 1946 bereits die Einsetzung eines zusätzlichen Gremiums verlangt wur-
de.1848 Zum anderen gab es wiederholt Konflikte mit ( kommunistischen ) Vertretern der
Hochschülerschaft , die den Sitzungen wegen zu geringer Vorinformationen aus Protest
fernblieben.1849 Darüber hinaus wurde die Ableistung auferlegter Sühnearbeiten verwei-
gert und häufig Berufung gegen die Entscheidung eingelegt.1850 Rekurse von Studieren-
den wurden dann in der Regel entweder nochmals geprüft und die endgültigen Bescheide
per Listen an die Überprüfungssenate beim Bundes
ministerium für Unterricht , die nach
den Ausschreitungen bei den ersten Hochschüler schaftswahlen im November 1946 gebil-
det worden waren , zur weiteren Behandlung weitergeleitet.1851 Obwohl die Zulassungs-
bescheide des Rektors auf Basis der Kommissionsbeschlüsse „endgültig“1852 waren , wur-
den sie zum Teil vom Bundesministerium beziehungsweise von Sektionschef Skrbensky
mehrfach revidiert oder den StudienbewerberInnen nach Durchsicht der „Einsichtsakten“
der Rat erteilt , im folgenden Semester einfach neuerlich um Inskription anzusuchen.1853
1846 Karl Leutgeb , Vor neuen Aufgaben. In : Akademische Rundschau , 1. Jg., 1946 , Nr. 15 , 16. Februar 1946 , 1.
1847 Vgl. Huber , Entnazi fi zierung und Rückbruch , a. a. O., 187 f.
1848 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 513š1945 / 46 , Musikwissenschaftliches Institut der Uni versi tät
Wien an den Dekan der Philosophischen Fakultät , 2. März 1946 , 1. Darin heißt es : „Nach den bisher
gemachten Erfahrungen ist es vollkommen unmöglich durch eine Kommission die notwendige Über-
prüfung zeitgerecht durchzuführen , selbst wenn , wie dies bisher der Fall war , wöchentlich vierzig Fälle
behandelt werden.“ [ Unterstreichung im Original ]
1849 Z. B. UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 513š1945 / 46 , Musikwissenschaftliches Institut der Uni-
versi tät Wien an den Dekan der Philosophischen Fakultät , 14. Mai 1946 , 1 f.
1850 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 513š1945 / 46 , DZ 774 aus 1945 / 46 , Dekan Meister an Bundes -
ministerium für Unterricht , 10. Mai 1946. Hier erhoben gleich 17 Studierende Berufung gegen Nicht-
zulassung zum Studium aus Gründen der Betätigung in der NSDAP. Insgesamt acht Personen wurden
nach dem Rekursverfahren schließlich doch zum Studium zugelassen.
1851 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , Zl. 591 / III / 7 / 47 , 11. Februar 1947 , 1 f.
1852 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 513š1945 / 46 , Zl. 42818 / IIIš4a / 46 , Politische Überprüfung der
Inskribierenden , Bundesminister Hurdes an die Rektorate der Universität Wien , 8. März 1946 , 1.
1853 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 513š1945 / 46 , Bundesministerium f. Unterricht ( Skrbensky ) an das
Dekanat der philosophischen Fakultät betref. Studiengenehmigung für Frau G. W., 17. Oktober 1946.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741