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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
deren Hauptziel in der Durch setzung „eines echt öster reichi schen Geist( es )“1859 bestand ,
war um die Zulassung jugendlicher Mit glieder von NS-Organisationen bemüht , um „aus
ihnen Demokraten zu machen“.1860
In der Frage der Entnazifizierung formulierte der Verband Sozialistischer Studenten
Österreichs ( VSStÖ ) eine klare programmatische Position , die im Hinblick auf die Leh-
rerschaft ein entschiedenes Vorgehen auch und ins besondere gegenüber den „zahllosen
Nazi , die nicht Parteigenossen waren , das nationalsozialistische System aber geistig , wirt-
schaftlich , propagandistisch und praktisch gestützt und getragen haben“, forderte. Vor dem
geschichtlichen Hinter grund , dass „die Hochschulen der ersten Republik Österreich alles
eher waren , als Pflegestätten eines wirklich freien Geistes und ihre Professoren in diesem
Zusam men hang sehr selten das , was sie ihrem Namen nach sein sollten , nämlich seine
Bekenner“,1861 wurde die aktuelle demo kratische Herausforderung der Universitäten un-
missverständlich und radikal benannt :
„Auf den Hochschulen Österreichs muß sowohl personell als auch bis in die kleinsten und
unscheinbarsten Winkel des Lehrstoffes und der Lehrtätigkeit jede , auch die geringste Spur
pangermanistischer [ sic ] , deutsch-völkischer , nationalsozialistischer Gedankengänge ( oder
unter welchem Decknamen sich eine faschistische Spielart auch noch verkriechen mag ) mit
der Wurzel ausgerottet werden , ebenso wie jede andere Beeinträchtigung des freien demokra-
tischen Geistes überhaupt , sei es durch konfessio nelle oder wirtschaftliche Rücksichten.“1862
Mit Bezug auf die Studierenden schrieb „Cand. jur.“ Viktor Heller ,1863 damals als VSStÖ-
Vertreter Mitglied des Bildungsausschusses der Öster
reichi schen Hochschülerschaft , es
sei „unbestreitbar , dass von einer Anzahl Studenten noch immer faschistisch-nazistische
Ansichten vertreten werden.“ Allerdings seien die „in der Presse und anderen Stellen ver-
breiteten Meldungen , daß die Hochschulen Hochburgen des Nazismus wären , maßlos
übertrieben“.1864 Damit auch die „Überreste einer vergangenen Epoche [ … ] radikal aus-
gemerzt werden“, sollten – wie auch der Bildungsausschuss der ÖH forderte – Pflichtvor-
1859 Der Student , 1. Jg., 1945 , F. 3 , 2. Zit. nach : Forster , Die Geschichte der Öster reichischen Hoch schüler-
schaft 1945–1955 , a. a. O., 52.
1860 Dr. Kurt Schubert. Zit. nach : Forster , Die Geschichte der Österreichischen Hoch schülerschaft 1945–
1955 , a. a. O., 23.
1861 „Entnazifizierung“. In : Strom , 2. Jg., 13 / 14 , Mai 1946 , 9.
1862 Felix Hubalek , Vergangenheit und Zukunft unserer Hochschulen. In : Strom. Hochschul sonderaus gabe ,
2. Jg., Folge 17 / 18 , Juni 1946 , 18 f.
1863 Viktor Heller ( 1925–1987 ), Jurist , Sektionschef im Unterrichtsministerium ; 1984 wurde er Präsi dent
des Ver waltungs gerichtshofes. Ab 1964 unterrichtete Heller an der Gewerkschafts schule , 1974 wurde er
ehren amt licher Präsident der Volkshochschule Hietzing , 1984 Präsident des Verbandes Österreichi scher
Volks hoch schulen.
1864 Viktor Heller , Entnazifizierung des Geistes. In : Strom , 2. Jg., 13 / 14 , Mai 1946 , 28.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741