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4. „The democratic way of life in Austria“
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“It is difficult to believe that after Nuremberg [ … ]. Nevertheless it has been possible , in the cen-
tre [ sic ] of a state which calls itself democratic , for a small group of fanatical Nazis openly to ex-
press its regret that Hitler did not succeed in destroying all the Jews , to applaud its excesses , to
boast of the party they played in Hitlers aggression and to place savage obstructions in the way
of students who once refused in the Hitler army of bandits. It has been possible in a country lib-
erated by the Allied Powers , from Hitler occu pation , for manifestations of Fascist youth to take
place , openly insulting to the Allies. The Nazi and Hitler officers who have found refuge in the
University and other Austrian High Schools , have become so bold that they have unmercifully
beaten certain democratically-minded students who protested against their Nazi propa ganda.
The feelings of profound indignation and anger aroused in democratic and working-class circles
in Austria as a consequence of this Nazi provocation , are quite under standable.”2111
Und Zheltov legte auch Zahlen vor , die belegen sollten , dass insbesondere die Universität
Wien eine Brutstätte ( „hotbed“ ) der NS-Propaganda geworden sei und die Jugend hier im
Geiste des Faschismus erzogen würde : so wären allein an der Universität Wien 72 Nazis als
Professoren beschäftigt. Darüber hinaus seien in der britischen Besatzungszone 36 und in der
französischen 33 Nazis als Universitäts professoren angestellt. Auch im Theologischen Semi-
nar in Salzburg wäre
– General Zheltovs Quellen zufolge
– eine ähnlich große Zahl an frühe-
ren Nazis beschäftigt , ebenso an höheren Schulen : „Former Nazis who either held or still hold
Headmasters posts in High Schools , throw open the doors , not to democratic elements , but to
ex-Nazis , Hitler-officers , and Germans.“2112 Im Bereich der Studentenschaft sei die Situation
nicht besser : bei 21 Prozent aller Studierenden an den Universitäten in Innsbruck , Graz und
Wien handle es sich um ausländische Studenten , darunter 580 Reichs- und 1176 Volksdeut-
sche. Allein an der Universität Wien befänden sich
– entsprechend den Zheltov vorliegenden
Unterlagen – 415 frühere Hitler-Offiziere unter den Studenten.2113 Angesichts dieser Situa-
tion und der fehlenden Bereitschaft der österreichi
schen Regierung stellte Zheltov folgende
Diagnose , die bereits auf die von russischer Seite erwünschten nächsten Schritte hindeutete
und dabei ehemals gemeinsam festgelegte alliierte Übereinkommen beschwor :
“These events , which have an influence far beyond the confines of the University , have clearly
revealed how deeply-rooted is Nazism in Austria , and how real is the danger of resurgence
of Fascism unless radical measures are taken to extirpate all trace of Nazi ideology , and to in-
still into the Austrian people , and particularly into his youth , the principles of democracy , as
we undertook to do in the Allied Council Declaration of September 11th , 1945 , and later re-
affirmed in Article 3 of the New Control Agreement.”2114
2111 Ebd.
2112 Ebd., 2.
2113 Ebd.
2114 Ebd., 3.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741