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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
“However , although it can be justly assumed that the national-socialist provocations were start-
ed by persons who were not entitled to vote at the universities , the possibility of such incidents
shows that the purge-measures carried out of to the present have not been efficacious enough
to fully eradicate national-socialist tendencies on the Austrian Universities.”2125
Sonderlich aufschlussreich war diese schriftliche Stellungnahme Bundeskanzler Figls ge-
genüber der Alliierten Kommission nicht : in gewisser Hinsicht bestätigte Figl neuerlich
nur offiziell , dass man auch auf österreichischer Seite die bisherigen Entnazifizierungs-
maßnahmen als unzureichend einschätzte – etwas anderes hatte aber auch keine der Be-
satzungsmächte erwartet.
Angesichts des universitären Wirbels sowie im Hinblick auf das bevor
stehende neue
‚Verbots gesetz‘ war Bundespräsident Karl Renner in seiner Neujahrs ansprache 1946 / 47 dar-
um bemüht , seine Landsleute auf typisch öster
reichische Art zu beruhigen , indem er ihnen
sein Verständnis staatspolitischer Räson im Zusam men
hang von Entnazifizierung erläuter-
te und Inter ventionsbereitschaft versicherte : „As a President of the Republic , I say to you :
The constitution gives me the right of pardon of even the capital criminal. And even the most
debased citizen is for me an Austrian. I recognize no ostracism.“2126 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Trotz aller zuweilen heftig artikulierten Kritik am Status quo der Entnazifizierung blie-
ben die weiteren Debatten in den Gremien der Alliierten Kommission auf Grund der
nur selten erzielten Einstimmigkeit letztlich ohne entscheidende Wirkung und ebbten
zu Beginn des Jahres 1947 , kurz vor Beschlussfassung des Minder belasteten gesetzes , auch
entsprechend ab. Für die österreichische Bundesregierung verbindlich war jedoch die Auf-
forderung zur Vorlage des Re-Screening-Berichts , der der Alliierten Kommission bis zum
15. Februar 1947 auszuhändigen war.
Dass die neuerliche Entnazifizierung an der Universität und den Hochschulen Wiens im
Vergleich zu Graz , Leoben oder Innsbruck , wo zum Teil noch gar keine Kommis sionen ein-
gerichtet waren , relativ zügig voranging , wie Andreas Huber konstatiert ,2127 trifft zwar zu ,
sagt aber nur wenig über die Qualität des geleisteten Re-Screenings aus ; hier mögen neben
lokalen beziehungsweise regionalen Empfindlichkeiten gegen
über den ver
ordneten politi-
schen ‚Säuberungen‘ wohl auch verschiedene andere Faktoren eine Rolle gespielt haben.2128
2125 Ebd., 1.
2126 NARA II , RG 260 , USFA , Historical File , Box 32 , Folder 252. Quarterly Historical Report. USACA
Section , U. S. Forces in Austria 1946 , 125.
2127 Huber , Studenten im Schatten der NS-Zeit , a. a. O., 99.
2128 So eine gewisse föderale Reserviertheit hinsichtlich der unmittelbaren Umsetzung ministerialer Ver-
ordnungen aus Wien oder das unterschiedliche Agieren der Alliierten Militärbehörden in den
Besatzungs zonen. Letzteres legt der Wortlaut eines Schreibens des Britischen Besatzungs ele ments an
die Alliierte Kommission nahe , worin quasi exkulpierend mitgeteilt wurde , dass die Studenten ver tre-
tungen an der Universität Graz sich weigerten , an der Arbeit der Über prüfungskommissionen teilzu-
nehmen „[ … ] on the grounds that [ … ] the work had already been done twice and [ … ] it would in any
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741