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4. „The democratic way of life in Austria“
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In einer vertraulichen Note des US-Gesandten John G. Erhardt an den Secretary of
State in Washington , George C. Marshall , wurde die Problematik vier Monate nach den
Hoch schulkrawallen klar beim Namen genannt : „scandals , one more preposterous than the
other , show that much remains to be done in denazification.“2179
Quellenkritisch von Interesse ist , dass sich in diesem Papier die sowjetische Bericht-
erstattung2180 beziehungsweise die pointierte Kritik an der Entnazifizierung seitens der
KPÖ indirekt gespiegelt finden und damit Evidenz über den tat sächli chen Status quo in
dieser Frage gegeben ist :
“Although it has repeatedly been reported that denazification is a major theme of Austrian
Communist propaganda , it is well to re-emphasize that the Austrian scene is replete with excel-
lent material for this campaign , and that the Communist press continues to be the most aggres-
sive and uncompromising critic of governmental laxness in denazification.”2181 [ Hervorhebung
d. Verf. ]
Eine weitere , indirekte Auswirkung der Ereignisse zeigte sich darin , dass der OMGUS-
Leiter der Education & Religious Affairs Branch , John W. Taylor , im Jänner 1947 eine
Stellungnahme zu einem Bericht über die Entnazifizierung der Universitäten innerhalb
der US-Zone verfasste , der von der Internal Affairs Division stammte ; darin sprach sich
Taylor š im Sinne einer Reintegration in Form von Reeducation-Maßnahmen š für eine
pragmatische Lösung aus 2182 und verwies dabei auf die schwierige Situation der Educa-
tion Branch in Deutschland , die , trotz besserer Ausstattung als etwa in Österreich , inner-
2179 Recordings of the U. S. Department of State relating to the Internal Affairs of Austria 1945š1954 ( Mi-
krofilm-Bestand Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien ), Decimal File , Reel 1 , John G. Er-
hardt , Analysis of Vienna Communist Propaganda During December , 7. Jänner 1947 , 1.
2180 So erschien beispielsweise im Dezember 1946 ein Artikel in der Izvestia , der in scharfen Worten den
„Augiasstall des österreichischen Faschismus“ anprangerte ; der Artikel wurde anschließend in der Öster-
reichischen Zeitung vom 31. Dezember 1946 unter dem Titel „Brief aus Wien“ ver
öffentlicht.
2181 Der Bericht führte weiter aus : „VOLKSSTIMME carried pertinent material on April 4 , 16 , 17 , 18 , 19 ,
20 , 22 , 23 , 24 and 27. Welcome material was supplied by a ) the release of a Wehrwolf leader ‚because the
time spent awaiting trail would in any event exceed the possible verdict‘ ; b ) the disappearance of Nazis
files from the Interior Ministry ; c ) the escape of a prominent war criminal who was used for rubble-
clearing work under the alleged protection of other Nazis ; d ) the consequent exposure of a Nazi ‚cell‘ in
the economic section of the Vienna police ; e ) Nazi demonstrations in Styria on the occasion of Hitler’s
birthday. In all these cases corrective action was taken by the authorities. Whether this was because of
the indignation of the leftist press , it is hard to determine.“ Recordings of the U. S. Department of State
relating to the Internal Affairs of Austria 1945š1954 ( Mikrofilm-Bestand Institut für Zeitgeschichte
der Universität Wien ), Decimal File , Reel 2 , John G. Erhardt , American Legation / Vienna , to Secre-
tary of State / Washington D.C., No. 3060 , „Analysis of Austrian Communist Propaganda During April ,
12. Mai 1947 , 1. 4. [ Unterstreichung bzw. Versalien im Original ]
2182 John W. Taylor , Chief of Branch , to IA & C Div., Report on Denazification of Universities in US Zone by
Policy Enforcement Br., CAD , OMGUS , 22 January 1947. NARA II , RG 260 , OMGUS , ERA , Box 58.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741