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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
halb der Architektur der Militärbehörden eine eher untergeordnete Stellung ein nehme.
Schließlich , so Taylor mit realistischem Blick , müsse man sich bewusst sein , dass eine
stich proben
artige Überprüfung des Personals von Erziehungs- und Bildungs ein richtungen
in Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit Personen auffinden würde , die ent weder
illegal beschäftigt , durch einen Fehler in der Über prüfungs kommission im Dienst belassen
oder ohne Genehmigung der Militär regierung angestellt wären :
“Were this not true , it would mean that the few education officers assigned to control of Ger-
man higher education had done an impossible task. [ … ] Until adequate personnel have been
assigned , it cannot be expected that even the denazification functions of this job can be effec-
tively or adequately carried out.”2183
Interessant ist in diesem Zusammenhang , dass neben den Problemen der Ent nazi fizierung
–
trotz der abschlägigen internen Statements durch USACA-Militär
dienststellen –, gegen-
über dem State Department erstmals auch die Frage einer mögli chen Gefahr des Wieder-
auflebens des Nationalsozialismus in Österreich themati siert wurde. So übermittelte das
Büro des „Political Advisor USFA“ im März 1947 das Memorandum eines österreichischen
Universitätsprofessors mit dem Titel „National
sozialismus in Österreich“2184 an das US-
State Department. Der Autor , der es vorzog , anonym zu bleiben , dem US-Gesandten
aber als „authority with represen tative views on the subject“ bekannt war , setzte sich darin
ausführlich und mit politisch-strategisch interessanten Argumenten damit auseinander ,
wie der diagnos tizierten , als real ange sehenen Gefahr eines Wiederauflebens des National-
sozialismus begegnet werden könne. Neben externen Gefahrenmomenten wie der Infil-
tration des nach wie vor existierenden deutsch-nationalen , „pangermanischen“ Gedan-
kengutes im Zusam menhang eines wieder erstarkenden , ein heit lichen Deutschland , sah
der Autor die eigentliche Gefahr jedoch in der inneren Situation Österreichs , wobei die
Pointe in der expliziten , aber nicht weiter begründeten Schuldzuweisung gegenüber den
Sowjets liegt :
“Nobody should entertain any too great optimism and ignore the internal national socialist
danger in Austria. It should be openly admitted that such a danger exists. [ … ] The reason why this
danger exists must be sought in the political development of the two years after the war. They
are the result of tactical blunders which were made. The principal tactical error is the fundamental
2183 John W. Taylor , Chief of Branch , to IA & C Div., Report on Denazification of Universities in US Zone by
Policy Enforcement Br., CAD , OMGUS , 22. Jänner 1947. NARA II , RG 260 , OMGUS , ERA , Box 58 , 2.
2184 Recordings of the U. S. Department of State relating to the Internal Affairs of Austria 1945–1954 ( Mi-
krofilm-Bestand Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien ), Decimal File , Reel 2 , James Orr
Denby , Counselor of Legation , Headquarters United States Forces in Austria , Office of the Political
Aviso , American Legation / Vienna , „National Sozialist in Austria“, 6. März 1947 , „Dangers of a Return
of National Socialism in Austria and How to Overcome Them , 1.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741