Seite - 513 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Bild der Seite - 513 -
Text der Seite - 513 -
513
Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
reichen mitgebracht und seien zum Teil lediglich Soldaten mit wenig ziviler Berufserfahrung
gewesen : „The Chief of Staff of United States Forces in Austria was allegedly conscious of
the inefficiency of many United States Allied Commission for Austria employees.“2206 „ ‚Ex-
perts‘ were made overnight“2207 heißt es dazu in besagtem Bericht. Bemängelt wurde darin
auch der Informationsfluss , da es manchmal eineinhalb Monate dauerte , bis eine telegrafierte
Mitteilung des War Department überhaupt beantwortet wurde , obwohl unablässig Berichte
eingefordert worden seien. Selbst die simple Inventarführung von Berichten , Rechnungen
und beschlagnahmten Gegenständen lief aus Sicht der Militärs völlig aus dem Ruder :
“Civilian Supply Branch lost track of what had been issued. Finally an inventory had to be taken
of the stocks in warehouses in Vienna. It was found that of the amount supossedly on hand ,
from the incomplete records existing , three-fourth had dis ap peared.”2208
Nach Vorfällen in Salzburg im Juli 1945 wurde der Aktionsradius von USACA schließ-
lich auf Wien reduziert : „In Salzburg , six weeks after our entrance , newspaper reporters
complained about the condition of the Jews still not removed from concentration camps.
The Chief of Staff insisted on correction
– nothing was done for weeks. The Chief of Staff
finally took away from United States Allied Commission for Austria any administration in
the Zones , and allowed them only policy-making in Vienna.“2209
Die Abteilungen der USACA hatten somit keinerlei direkte Jurisdiktion über das
„Military Government“ und mussten ihre „Befehle“ über General Clarks Schreibtisch
beziehungs weise seine Unterschrift aussenden.2210
Obwohl aus derartigen Statements sicher keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und Ge-
neralisierungen unangebracht sind , lässt die Darstellung der USACA-History Section
doch den Schluss zu , dass es im Bereich einzelner US-Besatzungsorgane von Anfang an
Probleme zwischen den eingesetzten zivilen Experten und den Militärs gab.
In einem vertraulichen Bericht des Leiters der „Reorientation Branch“ innerhalb der
Civil Affairs Division2211 des War Department , Oberstleutnant Robert B. McRae , an den
Assistent Secretary of State vom Februar 1947 wurde angesichts der bisherigen Arbeit der
Education Division , die vom State Department überaus kritisch betrachtet wurde – „the
2206 Ebd., 37.
2207 Ebd., 36.
2208 Ebd., 36.
2209 Ebd., 36.
2210 Ebd., 39.
2211 Die mit 1. Juli 1946 im Pentagon eingerichtete „Reorientation Branch“ ( CAD ) war auch mit der Reori-
entation für Österreich befasst und gliederte sich in vier Abteilungen : die Presseabteilung , die Film- und
Theaterabteilung , die Special Projects Section ( Urheberrechtsangelegenheiten etc. ) und die Abteilung
für Erziehungs- und Kirchenfragen unter Leitung von Edward F. D’Arms. Vgl. Bungenstab , Umerzie-
hung zur Demokratie , a. a. O., 65.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741