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Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel
“In 1945 hearing for the job in State , he [ MacLeish , d. Verf. ] was [ … ] asserting that education
and culture were the core of US foreign affairs and among its ‘most important foreign relations’.
In world history no one had dared articulate such an idea particularly before a hostile and
under-informed legislature. Beginning a longe-range educational campaign with Congress , he
took control by commanding attention. As Roosevelt had labored to convince legislators that
intellect was a factor of good government , MacLeish tried to bring intellect and culture nearer
to the center of foreign affairs.”2245
Unter der Leitung von MacLeish wurde sogleich mit der Arbeit an einem langfristig trag-
fähigen Reeducation-Planungsdokument begonnen , das die Arbeit der US-Militär stellen
in Europa auf ein neues Konzept , nämlich auf eine kulturpolitische Grund lage , stellen
sollte ; dies , wie Arndt meint , im vollen Bewusstsein um die politisch überaus schwierige
Ausgangslage jeglicher offensiver Kultur- und Reorientierungs-Politik gegenüber konser-
vativen Gegenstimmen : „Yet the vulnerability of the original idea , even before wartime
distortions , was obvious to anyone aware of the reigning cynicism of Washington or the
gathering anti-New Deal backlash.“2246
Das Advisory Committee traf sich im Mai und Juni 1945 in jeweils zweitägigen Sitzun-
gen und arbeitete einen Entwurf aus , der dem Coordinating Committee des Department
of State und dem Secretary’s Staff Committee zugleitet und von diesem auch genehmigt
wurde. Im Anschluss daran wurde das Strategiepapier vom Komitee-Mitglied Frank Gra-
ham mit John McCloy , zum damaligen Zeitpunkt Secretary of War , und General John
H. Hilldring von der Civil Affairs Division ( CAD ) des War Departments diskutiert. Um
Verzögerungen zu vermeiden , fanden parallel dazu direkte Gespräche zwischen MacLeish
und Finanzminister Henry Morgenthau statt.2247
Wie schon zuvor erreichten auch in dieser Phase zahlreiche Manuskripte , Memo randen
und Vorschläge , die von privaten Bildungs organi sationen oder privaten Bildungsexperten
verfasst wurden , das State Department. Obwohl derartige An regungen von privater Sei-
te wohl kaum direkten Einfluss auf die Reorientierungs-Politik des State Departments
gehabt haben dürften , setzten sich die US-Regie rungs beamten mit den unterbreiteten
Vorschlägen , die schon für sich genommen spannende Dokumente des ungebrochenen
zivilgesellschaft lichen Engagements Amerikas zur Reorientation darstellen , doch intensiv
auseinander. Darunter finden sich zum Teil überaus interessante Analysen und Vorschlä-
ge , wie zum Beispiel ein Papier des in Brünn geborenen Emigranten Dr. Hugo Iltis ,2248
2245 Ebd., 102.
2246 Ebd., 100.
2247 Archibald MacLeish , Longe-Range Policy for German Reeducation , 4. Juli 1945. The U. S. Occupation
of Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 1-A-223 , a. a. O., 1.
2248 Hugo Iltis ( 1882–1952 ), in Brünn geborener Biologie , Genetiker und Volksbildner jüdischer Herkunft.
Nach seiner Promotion an der Deutschen Universität Prag 1905 arbeitete Iltis bis 1936 als Lehrer am
Deutschen Gymnasium in Brünn sowie am Polytechnischen Institut in Brünn. 1921 gründete er die
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741