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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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das indes nicht bei der Geschichte Halt machte , sondern die gesamte „deutsche“ Wis-
senschaft als Instrument national sozialis tischen , deutsch-arischen „Herren menschentums“
und technokratisch-tech nischer Machtsicherung miteinbezog : „Der völkische Staat wird
für sein Dasein kämpfen müssen. [ … ] nicht Festungswälle werden ihn beschirmen , son-
dern die lebendige Mauer von Männern und Frauen , erfüllt von höchster Vaterlandsliebe
und fanatischer National begeisterung. Auch in der Wissenschaft hat der völkische Staat
ein Hilfsmittel zu erblicken zur Förderung des Nationalstolzes [ … ].“2256 [ Spationierung
im Original , d. Verf. ]
Schon lange vor Hitler , so Iltis , hatten sich die deutschen Universitäten zu einem Hort
antisemitisch-rassistischer Ideologien entwickelt , die in der NS-Zeit – ausgerichtet nach
der Lehre des Wegbereiters der NS-Rassenhygiene , Eugen Fischer , nach den eugenischen
Übermenschen-Ideen des „Rasseforschers“ Hans F. K. Günther oder der aggressiv-geopo-
litischen „Lebensraum“-Theorie des NS-Geologen Karl Haushofer
– vollends zu „factories
of the mental poison gas of Nazi propaganda“ wurden.2257
“The spirit of brutality , of violence and presumption was cultivated among the students of the
German Universities since old times. The color-bearing ‘student corporations’ , the ‘Corps’ , the
‘Burschenschaften’ , etc. with their caste feeling , their fanatical chauvinism , their obligatory
duels , their excessive drinking , etc. were representatives of German mentality. Here , at Ger-
man Universities were the real breeding places of the spirit of Hitlerism , of rassistic antisemitism , of
Teutonic megalomania long before Hitler. Professors and students of German Universities were
among the first fanatical supporters of the Nazi Movement. They played the leading role in
that disgusting spectacle of ‘book burnings’ , which occurred at all places of ‘higher learning’
throughout Germany a short time after Hitler came to power. [ … ] By the act of burning the
books , by this revolting attack against the holy spirit of mankind , the German students committed a
crime , by which they excluded and separated themselves from the international brotherhood
of science.”2258 [ Hervor hebung d. Verf. ]
Diese schleichende Vergiftung des deutschen Geisteslebens , für die Iltis insbesondere die
Universi tä ten verantwortlich machte , mündete seiner Analyse nach direkt in die katastro-
phale Verbindung von deutscher Wissenschaft , autoritärem Kadavergehorsam und rassis-
tischer Indoktri nierung , die über Bücherverbrennungen weit hinausging :
2256 Hitler , Mein Kampf , a. a. O., 473. In der Übersetzung von Hugo Iltis lautet die Passage : „The national-
socialist state has to consider science as a tool for increasing national pride. Not only history , but also all
of cultural history must be taught from this point of view.“ Iltis , Proposals Regarding Control of German
Science and Education , a. a. O., 7.
2257 Iltis , Proposals Regarding Control of German Science and Education , a. a. O., 2 f.
2258 Ebd., 5.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741