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Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel
“The German people as a whole are responsible not so much for the development of the po-
litical situation by which Hitler came to power , but for the fact that , through all the years of
death and destruction , of unbelievable terror and cruelty committed by the Nazis and their
armies , when millions of Germans died and died readily and enthusiastically for Hitler , no
great movement against Hitlerism could arise , and a real German underground could never
develop. [ … ]
The dangerous mentality of the German people has been the result of a dangerous situation of
German science and of a dangerous education. German Science is and has been one of the helpers
of German conquest. German Universities , German Scientific Institutions and German higher schools
were not only the shining centers of human progress as pictured by the Germans , but also the
breeding places of German megalomania and the arsenals for the fabrication of both chemical and
mental poison gas. To eliminate the dangerous preponderance and arrogance of German Science ,
to control German schools and German education will be one of the conditions for a lasting
peace.”2259 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Angesichts der tiefreichenden , geistig-mentalen Indoktrinierung , der ungeheuer brutalen
Unterdrückung von Humanität und individueller Freiheit , die über die gesamte Dauer der
national sozialistischen Herrschaft keinen größeren Widerstand in der Bevölkerung her-
vorgerufen habe , sei es im Hinblick auf eine glaubwürdige und verant wortungsvolle Re-
organisation des deutsch-österreichischen Wissenschafts systems durchaus zumut bar , dass
die Universitäten so lange geschlossen blieben , bis sich – unter Mit hilfe eines eigens zu
schaffenden „Advisory Board for the Allied Science Control Commission“ – sukzessive
qualifizierte und politisch-weltan schau lich vertrauens würdige Lehrkräfte finden ließen. Für
Iltis , der – trotz aller Kontroll maßnahmen von außen – im demo
kratischen Selbstlernpro-
zess der Deutschen das einzig nachhaltig wirksame Ver än derungs potenzial sah ,2260 schien
eine zweijährige Schließung – ohne jedweden revanchistischen Unterton – auch deshalb
durchaus vertretbar , da diese Zeitspanne nur einen Teil jener Zeit ausmachen würde , die
die Universitäten in den von Deutschland besetzten Gebieten geschlossen gewesen seien.
Zu einem ähnlichen , wenn auch weniger pointiert formulierten Ergebnis , kam auch der
US-amerikanische Kulturhistoriker Carl E. Schorske in einer 1947 vom „Council of Foreign
Relations“ herausgegebenen Schrift , in der er unter anderem das Problem des universitären
Wiederaufbaues thematisierte. Auch Schorske betrachtete die voreilige Restauration der
Universitäten ( „premature restoration“ ) als das größte Hindernis für einen nachhaltigen ge-
2259 Ebd., 2 f.
2260 „This gigantic problems of reeducation of the German people will not be solved by any edu catio nal efforts
of the allied nations. It will be , however , inaugurated by the direct effect of the lost war , by the destruc-
tion of the German homeland , and by the complete change in the economic situation of Germany. It
can be accomplished only by the German people themselves , whose attitudes will be changed by terrible
experiences.“ Iltis , Proposals Regarding Control of German Science and Education , a. a. O., 11.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741