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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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tätsbezug nicht abgesprochen werden kann
– führt der 1950 publizierte Bericht Andersons
weiter aus :
“The government controls the purchase of foreign works so rigidly that , at least in the humani-
ties , the Austrians complain of being more isolated than at the close of the war. [ … ] A profes-
sor at one of the universities is teaching contemporary philosophy with almost no material on
British and American thought of the past hundred years. The examples of isolation could be
multiplied , and as long as the government remains so parsimonious in making funds available
to libraries , Austrian scholarship will be dependent , for its foreign publications , upon gifts and
exchanges. [ … ] Government officials in Austria seem to have forgotten that they once learned some-
thing from a book , that publications , both domestic and foreign , are essential to intellectual activity ,
that our civilization is built on knowledge , and that the intellectual starvation and isolation of the
universities will ruin the future of their people.”2290 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Besonders problematisch bewertete Anderson in seinem Report an die ACLS – dies mit
durchaus selbstkritischem Blick auf die Rolle und die Aktivitäten der amerikanischen Be-
satzungmacht
–, dass in der bisherigen Zeitspanne seit Kriegsende , trotz prinzipiell vorhan-
dener politischer Freiheiten , die Möglichkeit zu einer grundlegenden Reform des Univer-
sitätssystems vollständig verabsäumt wurde und sich anstelle dessen sowohl im Bereich der
Ministerial
bürokratie als auch an den Universitäten eine vormoderne , restaurative Geistes-
haltung konservieren konnte ,2291 der eine potenzielle Mitverantwortung oder gar Mitschuld
am Nationalsozialismus nicht einmal ansatz
weise in den Blick kam , zu groß waren die Ab-
wehr- und Verdrängungs
mechanismen : „The split between idea and practice was unwittingly
revealed in many conversations concerning the personal behavior of the people under Nazism.
[ … ] One rarely found an individual who understood the ethical dilemma which he had
brought upon himself. Usually the intellectual seemed to be unwilling to admit his own share
in helping the Nazis whose ultimate world victory he would have deplored.“2292
2290 Ebd., 84 f.
2291 „In contrast to Germany , up to the present time ( summer 1949 ) Austria has had a central government ,
which could be expected to assist in the revival of intellectual activity , to stir the personnel to action , to
provide essential funds and to see that they are well spent. That the government has done very little in
this respect cannot be attributed to penury alone [ … ] As a liberated nation , Austria under effective lea-
dership could have decided on the most useful way to employ its limited funds ; it had officials in a posi-
tion of sufficient freedom to take the initiative in working out policies for the reform of higher education
and for persuading and enabling the intellectuals in the universities to consider their function in Austria
and Western society. [ … ] The future of Austrian cultural life , particularly in the humanities , threatens to be
the victim of a policy based upon thinking of the years prior to the airplane , the rocket , and the atomic bomb. In
addition , each of the three resident western powers has kept the Austrian in its zone relatively isolated
from the culture of the other two powers. [ … ] Cooperation in cultural affairs among the three porwers
is a markedly absent in Austria as in Germany.“ [ Hervorhebung d. Verf. ]. Ebd., 86 f.
2292 Ebd., 97 f.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741