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Elitenbildung über „Austauschprogramme“
Kulturaustausch-Programm auf bilateraler Grundlage geschaffen hatte , war diesem aka-
demischen Transferprojekt zunächst kein nennenswerter Erfolg be schieden.2325 Das wohl
auch deshalb , weil , wie Oliver M. Schmidt konstatiert , der Zeit punkt dieses Vorhabens ,
das auf die „promotion of international good will through the exchange of students in the
fields of education , culture , and science“2326 zielte , dafür einfach zu früh gesetzt war : „[ … ]
government circles and army officials concluded , that it was too early to extend such a
deeply symbolic gesture of good will towards the defeated enemy.“2327 Erst die besatzungs-
politische Aufwertung der Reorientierung als zentraler US-Besatzungs agenda und deren
sukzessive Einbettung in großangelegte Planungs zenarien psychologischer Kriegsführung
im Zusammen hang mit dem Kalten Krieg führten schließlich zur Umsetzung im gro-
ßen Maßstab. Dabei wurden von amerikanischer Seite sowohl die gesetzlichen Rahmen-
bedingungen erweitert , als auch die entsprechenden finanziellen Mittel bereit gestellt.
Mit der übergreifenden SWNCC-Direktive 269 / 8 vom 31. März 1947 waren nun erst-
mals nach Kriegsende wieder Auslands aufenthalte von Deutschen ( und Österreichern ) in
den Vereinigten Staaten auf regulärer wechselseitiger Basis möglich :2328 „SWNCC 269 / 8
provides for the interchange of persons between Austria and the United States and Ger-
many and the United States [ … ]“.2329
Das Überprüfungsverfahren für die Ausstellung einer befristeten Auf
ent
haltsgenehmigung
konnte zu Beginn allerdings bis zu neun Monate dauern. Zu ent scheidenden Erleichterun-
gen , die diese Verfahren auf zwei Wochen abkürzten , kam es erst durch entsprechende Er-
lässe der US-Militärregierung im Zuge der anlaufenden kultu
rellen Austausch
programme
1948.2330
akademisch-universitären Austausch zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und rund 20 ande-
ren Ländern. Siehe : Trading Ideas with the World. International Educational and Technical Exchange.
Report of the United States Advisory Commission on the Educational Exchange , 31. März 1949 , 3.
2325 Das Fulbright-Austauschprogramm verlief auch hinsichtlich der quantitativen Beteiligung inner halb
der ersten zehn Jahre in vergleichsweise bescheidenem Rahmen : bis 1951 nahmen weltweit insgesamt
lediglich 4. 000 Personen am Fulbright-Programm teil. Siehe : Educational Exchange. Under the Ful-
bright Act. Department of State Publication 3637. International Infor mation and Cultural Series 9 ,
Dezember 1949 , 1 ff.
2326 Randall Bennet Woods , J. William Fulbright , Vietnam and the Search for a Cold War Foreign Policy ,
Cambridge / New York 1998 , 9 ; siehe weiters : Arthur Power Dudden / Russel R. Dynes , The Fulbright
experience. Encounters and Transformations. Foreword by J. William Fulbright , New Brunswick 1987 , 1.
2327 Schmidt , Civil Empire by Co-optation , a. a. O., 302.
2328 Im angesprochenen SWNCC-Dokument lautet der diesbezügliche Passus : „[ … ] to permit and encou-
rage the revival of visits of Germans to the United States [ … ] and of persons from the United States to
Germany“. Zit. nach : Wells , Being Lucky , a. a. O., 311.
2329 Daniel Noce , Major General , GSC , Chief , Civil Affairs Division , Standard Operating Procedure ( SOP ),
Interchange of Persons Program , 5. Mai 1947 , 1. Zit. nach : The U. S. Occupation of Germany : Educatio-
nal Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 1-A-36.
2330 Vgl. Schmidt , Civil Empire by Co-optation , a. a. O., 90.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741