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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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Anlaufen der Personen-Austauschprogramme vermengte sich der artige Kritik zuweilen
mit populistischen Ressentiments gegenüber Fremden , die nun auf Kosten der amerika-
nischen Steuerzahler in Elite-Bildungsinstitutionen gesteckt würden , die sich US-Staats-
bürger für ihre Kinder of nicht leisten könnten.2353
Abgesehen von derartiger Negativ-Berichterstattung war es wohl auch die seit 1946
wieder holt formulierte2354 und teilweise scharfe Kritik privater Bildungs ein richtungen
beziehungs weise deren Vertreter am Realzustand des Bildungswesens in Deutschland und
Österreich , die zu zusätzlichem Veränderungsdruck führte. Bereits im Mai 1946 hatte Ma-
jor General J. P. Echols dem US-Oberbefehlshaber in Österreich mitgeteilt , dass sich in
letzter Zeit Nachfragen häuften und Information über den Status quo erbeten würde : „The
Office of International Information and Cultural Affairs , Department of State indicates
that is its receiving frequent inquiries concerning the progress of rehabilitation of Austrian
educational system.“2355
Die ab 1948 erleichterten Einreisebedingungen für amerikanische Staats bürger2356
führten zu weiteren halb-privaten Investigationen in den Besatzungszonen –, sie ließen
den Militär behörden eine verstärkte Kooperation mit dem State Department beziehungs-
The statement was made in an interview with Franz Joseph Schönigh , publisher and editor of the Süd-
deutschen Zeitung , largest newspaper in southern Germany [ … ].“ Zit. nach : The U. S. Occupation of
Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 2-A–847.
2353 Der Boston Daily Record vom 10. Juni 1949 schrieb diesbezüglich: „Nine aliens will be imported from
Germany and educated at the expense of the American taxpayers at such foremost educational insti-
tutions as Harvard, Duke and Bryn Mawr […] funds are provided by American taxpayers who cannot
afford to send their own children to college.“ Zit. nach: The U.S. Occupation of Germany: Educational
Reform 1945–1949, Microfilm-Collection, a.a.O., 2-A-457. In einem Schreiben an den Secretary of the
Army, Kenneth C. Royall, machte sich ein US-Bürger bezugnehmend auf die Pressebereichterstattung
(„if true“) Luft, indem er schrieb. „These Nazis and Japs that fought against us and killed our soldiers, you
are going to educate in American universities! I happen to have a boy who graduates from High School
in June, and can only go to college if he gets a free scholarship, which is doubtful. But you are going to
take money I pay and give these Nazis a free education.“ Richard Strasburger, to Hon. Kenneth C. Royall,
Secretary of the Army, Washington D.C., 23. März 1949, 1. The U.S. Occupation of Germany: Educatio-
nal Reform 1945–1949, Microfilm-Collection, a.a.O., 2-A-709.
2354 So hatte sich bspw. im April 1946 die „Society for the Prevention of World War III , Inc.“ in Sorge um
die demokratische Erziehung der deutschen Jugend mit einer schonungslosen Kritik an der Reeduca-
tion-Politik der US-Besatzungsmacht an William Benton , den Assistant Secretary of State gewandt.
Siehe : The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O.,
1-A-37.
2355 J. P. Echols , Major General USA , Director , Civil Affairs Division , to Commanding General , U. S. Forces ,
Austria , 11 May 1946 , 1. Zit. nach : The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 ,
Microfilm-Collection , a. a. O., 2-A–82.
2356 Ab 1. Jui 1948 wurden die bisher geltenden restriktiven Einreisebeschränkungen für ameri kani sche
Staatsbürger auf Basis von SWNCC 269 / 8 aufgehoben , und die Visa-Bestimmungen mit Deutschland
( und Österreich ) normalisiert. CSCAD / 71646 / 5–16 / 467 [ CSCAD 350 ] , 16. May 1949 , The U. S. Oc-
cupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 , a. a. O., 2-A–806.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741