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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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shall gegenüber dem „appropriations subcom mittee“ des US-Senats 1947 diesbezüglich
festhielt , ging es angesichts gezielt ver breiteter Fehl infor mationen – unter anderem von
Radio Moskau2395 – darum , der Welt die „Wahrheit“ über die USA zu vermitteln : „They
should have a true understanding of American life. We should broadcast the truth to the
world through all media of communication.“2396
Als Folge der laufenden anti-amerikanischen Sowjet-Propaganda in Europa schien eine
gezielte Gegenstrategie in Form einer koordinierten Informations- und Kultur
offensive ,
gewissermaßen als Implementierung der Truman-Doktrin , auch über die politi schen La-
ger hinweg immer mehr vorstellbar. Außerdem sprach sich im Dezember 1947 auch das
„National Security Council“ ( NSC ) für eine aktive Gegen offensive aus , „to influence for-
eign opinion in a direction favorable to U.S. interests and to counteract effects of anti-U.S.
propaganda“.2397
Vor dem Hintergrund der angespannten weltpolitischen Großwetterlage brachte der
republikanische Kongressabgeordnete , frühere Lehrer und spätere Vorsitzende des „House
of Un-American Activities Committee“, Karl Mundt ( South Dakota ),2398 auf Anregung
des State Department in einem neuerlichen Anlauf eine Gesetzes vorlage für eine groß-
angelegte Kulturoffensive ein : „On July 2 , 1947 , Secretary of State George C. Marshall in
his testimony before Congress on H. R. 3342 , introduced by Congressman Karl Mundt
and entitled the ‚United States Information an Educational Exchange Act of 1948‘ , urged
legislative action that would permit this country to engage in activities that would provide
‚opportunity for contacts which develop lasting impression of the United States‘ “.2399
Diese Gesetzesvorlage beruhte zu einem großem Teil auf dem ausgearbeiteten Entwurf
der früheren Bloom-Bill und wurde , mit Unterstützung von Senator Alexander Smith aus
New Jersey , nach mehreren Querelen am 27. Jänner 1948 unter dem Namen „Smith-Mundt
Kalte Krieg gewissermaßen das Überleben. Trotz heftiger Angriffe auf die ideologisch-propagan distische
Informationspolitik der VOA , wie sie bspw. Walter Lippmann , der Vorsitzende der ameri kanischen
Journalistenvereinigung , der die VOA-Sendungspolitik als unvereinbar mit der amerikanischen Demo-
kratie erachtete und die Meinung vertrat , dass sich „the roaring voices of our public life“ niemals auf bloß
eine einzige Stimme Amerikas reduzieren ließe wurden die Mittel ab 1947 enorm angehoben und in
Europa , Asien und Lateinamerika Sendungsstationen auf- und ausgebaut. Siehe : Ebd., 30 f.
2395 Vgl. Heil jr., Voice of America , a. a. O., 47 ff.
2396 Paulu , The Smith-Mundt Act : A Legislative History , a. a. O., 303. Das „Wahrheitsargument“ unter-
stützte gegenüber dem US-Senat auch der demokratische Abgeordnete John W. Cormack : „It is a well-
known fact that adherence , even a limited adherence , to the truth in its propaganda activities , is not one
of the elements of Soviet Unions’s policy.“ Zit. nach : ebd., 304.
2397 Ninkovitch , The diplomacy of ideas , a. a. O., 135.
2398 James G. Ryan / Leonard Schlup ( Eds. ), Historical Dictionary of the 1940s , New York 2006 , 261 f.
2399 International Educational Exchange. United States Advisory Commission and The Program of the De-
partment of State. Department of State Publication 3313. International Information and Cultural Series
3 , March 1951 , 1.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741