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Die ideologische Überformung der US-Reorientierung
Act“ ( Public Law 402 of the 80th Congress ) schließlich angenommen.2400 Das Gesetz
authorisierte ein weltweites Offensiv programm zum Zweck des „educatio
nal , cultural , sci-
entific and technical exchange“ sowie zur „international infor mation“.2401
Vorausgegangen waren der Beschlussfassung des „Smith-Mundt Act“, der nun aus-
drücklich den bilateralen Kulturaustausch in Form von Personen , Wissen und Know-how
vorsah , allerdings heftige und kontroversielle Debatten darüber , inwiefern das von konser-
vativer Seite nach wie vor mit Misstrauen betrachtete State Department mit der zentralen
Leitung und Supervision des gesamten Programmes betraut sein sollte , beziehungsweise
welche Gefährdung ein derartiger Personen
austausch für die amerikanische Demokratie
nach sich ziehen könnte. Insbesondere die Vorstellung eines freien Personenaustausches
setzte xenophobe Ängste vor einer Infiltration Amerikas durch fremdländisch-europäisches
Gedankengut beziehungs weise kommunistische Lehrer und Studenten frei. Aus republika-
nischer Per spektive erschien das als nicht zu rechtfertigendes und obendrein teures Risiko :
“We are appropriating money on the one hand to ‘stop communism’ in Greece and Italy , and
now [ … ] we are asked to authorize the expenditure of other millions to bring teachers of com-
munism here where [ … ] they can , and they will , advocate the acceptance of communism.”2402
Als Ergebnis dieser Debatte wurden in den „Smith-Mundt Act“ Klauseln aufge nommen ,
die sowohl die national-patriotische Loyalität des Beamtenstabes des Department of State
sicherstellen als auch garantieren sollten , dass keine subversiven Kräfte durch die bilatera-
len Austauschprogramme ins Land kämen. Zu diesem Zweck sollten analog zu Abschnitt
201 des Smith-Mundt Acts alle Personen , deren Aktivi täten sich als nicht vereinbar mit
der nationalen Sicherheit erweisen sollten , sofort des Landes verwiesen werden. Darüber
hinaus mussten sich künftig alle Angestellten des State Department , die mit Operationen
im Kontext des Smith-Mundt-Act betraut waren , einem Loyalitäts-Check durch das FBI
unter ziehen , „even more stringent than the one given to people working on the atomic
bomb“,2403 wie Mundt in Verteidigung des gesamten „Cultural Exchange-Program“ betonte.
Zuletzt schränkte das beschlossene Gesetz zur Umsetzung einer großangelegten US-
Kultur offensive ,2404 das alle bisherigen Aktivitäten des State Department auf eine klar
2400 Trading Ideas with the World. International Educational and Technical Exchange. Report of the United
States Advisory Commission on the Educational Exchange , 31. März 1949 , 3 ; vgl. weiters : Ralph San-
ders / Fred R. Brown , National Security Management : Global Psychological Conflict , Washington D.C.
1961 , 36.
2401 Trading Ideas with the World , a. a. O., 3.
2402 So die bei Paulu zitierte Aussage des Kongressabgeordneten Hoffmann ( Michigan ). Zit. nach : Paulu ,
The Smith-Mundt Act : A Legislative History , a. a. O., 310.
2403 Ebd., 309.
2404 Das Budget der gesamten unter Public Law 402 laufenden Projekte stieg noch 1948 auf 24 Millionen
US-Dollar und erreichte 1950 47 Millionen US-Dollar. Das dabei weltweit eingesetzte Personal stieg
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741